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Symbolisch fallen die Grenzbalken. In der Realität gibt es aber klaffende Lücken zwischen Österreich und seinen Nachbarn – gut ersichtlich auf jeder Straßenkarte. Dass diese nicht geschlossen werden, dürfte weniger wirtschaftliche als vielmehr politische Gründe haben.

Foto: AP/Michael Probst
Fast hundert Jahre, nachdem die Grenzen zwischen den damals neuen Staaten Österreich, Ungarn, Tschechoslowakei und Jugoslawien gezogen worden sind, wird man sie ab heute – zumindest teilweise – wieder abbauen. Die Staaten, die auf den Trümmern des realen Sozialismus entstanden sind, haben sich nicht alle auf die gleiche Weise in Richtung der Europäische Gemeinschaft entwickelt. Das ist auch sehr gut daran zu beobachten, in welchem Tempo die Autobahnen im zentralen und südöstlichen Europa ausgebaut werden. Mit dem symbolischen Abbau der Grenzposten ab dem 21. Dezember wird es jetzt aber noch viel transparenter, wie unterschiedlich eigentlich die Politik der Straßenplanung in den verschiedenen Staaten ist.

Noch lange getrennt

Obwohl die Grenzen dann "gefallen" sein werden, wird man von einem in den anderen Staat trotzdem nicht viel schneller gelangen können. Wenn man die Autobahnen betrachtet, werden diese die Bürger der Region Zentraleuropa noch lange trennen.

Durch all die Länder dieser Region führen wichtige Transportrouten – von West nach Ost und von Nord nach Süd. Wobei es sich beim "Transport" sowohl um Güter wie auch um Personen handelt. Es ist aber nicht nur dieser interkontinentale Verkehrsfluss, der die Autobahnen immer mehr verstopft und unzugänglicher macht. Das, was uns künftig noch mehr Schwierigkeiten bereiten wird, wenn wir unsere Kontakte über die Grenzen hinweg ausbauen wollen, werden die Verkehrsadern sein. Auch wenn wir uns durch die neue Schengen-Regelung etwas ganz anderes erhoffen. Auch die Wirtschaftskontakte zwischen zentraleuropäischen Staaten, besonders in den Räumen, die nahe der Grenzen liegen, werden in der nahen Zukunft noch viel stärker zu leiden haben – wegen der schlechten Verkehrsinfrastruktur.

Schauen wir im Geiste auf eine Europa-Straßenkarte. Und schon wird dieser Eindruck noch vertieft. Beginnen wir im Süden, zwischen Slowenien – meinem Heimatland – und Österreich. Hier werden die Straßenverbindungen schon seit einigen Jahren ganz ordentlich ausgebaut. Auf einer der wichtigen Autobahn-Routen, Wien–Graz–Ljubljana–Adriaküste, ist die Verbindung fast komplett fertiggestellt. Auf der anderen, Salzburg–Villach–Ljubljana–Zagreb–Belgrad, fehlen drei Teilstücke in Slowenien, die Ende 2008 und im Jahr 2009 gebaut werden sollen.

Von Wien nach Ungarn ist die Autobahnverbindung seit nicht sehr langer Zeit über Budapest bis zur Grenze mit Serbien (Szeged) auch voll befahrbar. Im vergangenen Monat haben schließlich auch die Hauptstädte Wien und Bratislava eine Autobahnverbindung (über die Spange Kittsee) bekommen.

Die Tschechische Republik ist von allen neuen EU-Staaten geografisch am nächsten zu Westeuropa. Jedoch die erste vollständige Autobahnverbindung nach Deutschland (von Prag über Pilsen nach Bayern) gibt es erst seit einem Jahr. Die Nordverbindung nach Dresden wird gebaut, die letzten 16 Kilometer werden voraussichtlich 2010 fertig sein.

Und, obwohl sich in den Jahren zwischen 1993 und 2006 der Güterverkehr auf den tschechischen Straßen verdoppelt hat (und auf fast drei Viertel aller Güterbewegungen im Vergleich zur Schiene gestiegen ist), hinkt der Ausbau der Autobahnen hinten nach. Die zwischenstaatliche Autobahnverbindung von der Tschechischen Republik in die Slowakei tut einen wichtigen Dienst, es fehlen Anbindungen in den Süden und in den Osten. Sie werden noch lange fehlen. In Richtung Österreich wird man für viele Jahre, auf beiden Seiten der "gefallenen" Grenze, lange Wegzeiten in Kauf nehmen müssen.

Aber das ist auch der Fall zwischen der Slowakei und Ungarn (ausgenommen der des Zubringer von Bratislava aus auf die Autobahn Wien–Budapest). Auch bei den Autobahnverbindungen zwischen den neuen Wirtschaftszentren in Tschechien, der Slowakei und Polen geht es bei Planung und Bau der hochrangigen Straßennetzes sehr langsam voran.

Ungarn wird den verkehrsmäßigen Anschluss nach Süden und in den Südwesten, also nach Kroatien und Slowenien, schon im nächsten Jahr mit zwei letzten Teilstücken schaffen. Viel länger hingegen wird der Ausbau der Autobahnen nach Osten, in die Slowakei und die Ukraine dauern.

In den Ursachen gibt es offenbar Parallelen zur slowenischen Straßenplanung: Nachdem die erste komplette Autobahn bis nach Zagreb im Jahr 2009 fertig wird, wird man noch lange auf die Verbindungen Graz–Maribor–Zagreb oder Triest–Rijeka warten müssen. Sicherlich weniger aus wirtschaftlichen Gründen wird die Planung dieser Strecken nur halbherzig vorangetrieben. Politischen Gründe für die fehlenden Verbindungen kann man hingegen in allen Ländern finden.

Verlegte Staus

Sind die Zeiten der Verkehrsmeldungen über lange Wartezeiten und Staus an den Grenzübergängen für immer vorbei? Ja. Für die Österreicher fast sicher. Außer vielleicht zu der Zeit der Fußball-EM, wenn Schengen kurzfristig wieder aufgehoben wird. Aber Faktum ist: Durch die Schengenregelung werden zwar die vorhandenen Grenzübergänge verschwinden. Aber die Verkehrsstaus werden nur verlegt.

Man wird im Übrigen noch sehr viele andere Grenzen abbauen müssen. (Tomaž Porekar, DER STANDARD - Printausgabe, 21. Dezember 2007)