Eine der schönsten ungarischen Städte, Pécs, wird in drei Jahren Kulturhauptstadt Europas sein. Blogger wollen dafür auch hierzulande mobilisieren - mit originellen Methoden. Mit Kulturblogs überholen Ungarn auch abseits von Pécs 2010 ihre traditionellen Medien.


Pécs - Blogger führen einen regelrechten virtuellen Krieg darum, welche Seite bei der Google-Suche nach Eingabe des Ausdrucks "blog Pécs" an erster Stelle erscheinen darf. Noch ausgefallener war jener erste Flashmob im ungarischen Web, den Blogger El Lobo, Der Wolf, initiierte.

El Lobo hatte den Programmdirektor von "Pécs - Kulturhauptstadt Europas 2010" kennengelernt und mitbekommen, dass András Mészáros leidenschaftlich gern Zigarren raucht. Also setzte sich der Wolf an den Computer und erreichte durch verschiedene Blogeinträge, dass Suchmaschinen nach Eingabe des Wortes "Zigarre" Berichte zum Pécs-Projekt an erster Stelle brachten. So kam ein virtueller Flashmob zustande: Jeder, der sich im Web über das Ritual des Zigarrenrauchens, über Zigarrenmarken, -hersteller und -händler informieren wollte, landete einige Tage lang immer wieder auf Websites, die sich mit der Kulturhauptstadtrolle von Pécs beschäftigten.

Eine pfiffige Aktion eines Bloggers, um die Aufmerksamkeit auf in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken. Nun wissen zumindest alle Zigarrenraucher, was in der ungarischen Stadt im Jahr 2010 passiert.

Blogger sind inzwischen in allen Bereichen, ob Politik, Kultur oder Kommunikation, präsent - dabei hat man vor 10 Jahren noch nicht einmal den Begriff "Blog" bekannt. Der Ausdruck tauchte laut einschlägigen Quellen gerade im Dezember 1997 zum ersten Mal auf, und heute ergibt die Google-Suche nach diesem Wort Treffer in Milliardenhöhe. In Ungarn kann man erst seit einigen Jahren von einem echten Blogkult sprechen. Nach den ersten individuellen Versuchen startete eine Reihe von Services (freeblog.hu, blogter.hu, blog.hu, blogol.hu, nolblog.hu ...), bequem und schnell erreichbar für User. Nach den persönlichen "Ich-Blogs" kamen bald die öffentlichen, politischen und beruflichen, oft eine starke Konkurrenz konventioneller Medien. Darauf reagierten die Medien: Internetportale starteten ihre eigenen Blogservices.

Kulturelle Webtagebücher sind eine eigene Welt. Wer in der Musik-, Literatur-, Theater- oder Filmszene wirklich auf dem neuesten Stand sein möchte, kann sich inzwischen nicht mehr mit den Infos offizieller Medien begnügen. In der Blogosphäre finden er oder sie oft viel aktuellere und authentischere Informationen und lebendige, persönliche Meinungen.

Eine der jüngsten ungarischen Initiativen in dieser Gattung, das Könyvesblog (Bücherblog), zielt ebenfalls auf Unbefangenheit und Aufrichtigkeit. Bei seinem Start wandte er sich gegen mehrere Konstanten der ungarischen Bücherkultur. Die traditionellen Zeitungen und Zeitschriften reagieren sehr spät auf Neuerscheinungen, ihre Rezensenten fachsimpeln, kaum zu verstehen vom "normalen" Leser. Sie schreiben, scheint es, oft nur einander und über einander, achten sorgfältig darauf, den gerade gültigen Kanon bloß nicht zu verlassen.

So werden dann jene unantastbaren "Heiligen" der ungarischen Literatur geschaffen, über die man nie Schlechtes schreiben darf. Autoren, die von den maßgebenden, einander gegenseitig bekräftigenden Autoritäten lobgepriesen werden, werden auf diesem Wege zu Tabus.

Könyvesblog versucht mit dieser Tradition zu brechen, indem es täglich aktuell auf die neuesten Erscheinungen des Buchmarktes reagiert. Die jungen Buchblogger haben weder vor dem literarischen Rang noch vor der Autorität zu viel Respekt, sie schreiben ihre Meinungen offen und aufrichtig, auch wenn sie für diesen oder jenen Dichter zutiefst negativ ausfallen. Sie bemühen sich nicht um ausführliche Analysen oder theoretische Begründungen, statt dessen begnügen sie sich mit der glaubhaften Vermittlung ihrer unbefangenen Eindrücke, in der Überzeugung, dass solche Vermittlung dem Leser mehr Orientierung als theoretische Ausführungen geben kann.

Schnelligkeit, Erlebnishaftigkeit, persönlicher Ton, Aufrichtigkeit - das sind die Kriterien, nach denen die Kultblogs gegenüber den konventionellen Medien zurzeit unschlagbar scheinen. (Károly Balla / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.12.2007)