Für die 36-jährige Jana Srutkova aus Bratislava läutet der Wecker werktags um 5.30 Uhr. Eine halbe Stunde später müssen ihre zwei Kinder aufstehen: Die zweijährige Simonka ist beim Aufstehen tapferer als der sechsjährige Daniel. "Wenn ihr sehr müde seid, könnt ihr doch auch im Auto schlafen", mahnt die Mutter. Kurz danach steigen alle ins Auto. Ziel: ein Ort nahe Wien.

"Dass ich jeden Tag ins Ausland zur Arbeit fahren würde, habe ich mir nie vorstellen können", erzählt die Physiotherapeutin. Aber so hat es sich nun einmal ergeben. Vor 14 Jahren fing sie mit der Arbeit in Österreich an. Eigentlich ist sie Tschechin, 2001 heiratete sie einen Slowaken. "Aber an meinem täglichen Pendeln über die Grenze hat sich nichts geändert", lacht sie. Entscheidend ist das Gehalt. "Was man in Österreich verdient, kann man mit den Bedingungen in der Slowakei nicht vergleichen", meint Jana Srutkova. "Da fällt mir das frühe Aufstehen und Reisen nicht so schwer" - sogar wenn sie die Kinder immer dabeihat. Hort und Kindergarten sind nämlich ganz in der Nähe ihres Arbeitsplatzes.

Und die Zeiten haben sich auch gebessert. Vor dem slowakischen EU-Beitritt musste man an der Grenze viel Geduld haben. "In der Arbeit gilt die Schlange an der Grenze nicht als Entschuldigung fürs Zuspätkommen. Da musste ich eine viel größer Zeitreserve einbauen", erinnert sie sich. Es war ja üblich, dass nicht nur die Reisedokumente, sondern auch der Kofferraum kontrolliert wurde. Da wartete man schon eine Viertel- oder halbe Stunde. Schlechte Erfahrung hat Jana Srutkova jedoch mit der österreichischen Grenzpolizei nicht. "Das Warten machte zwar nervös, aber es ging halt nicht anders."

Dass sich durch den slowakischen EU-Beitritt im Grenzverkehr viel geändert habe, bestätigt auch Martina Kerekova, Sprecherin der slowakischen Zollverwaltung. "Die Verordnung über den freien Warenverkehr trat ab 1. Mai 2005 in Kraft. Seit damals können die EU-Bürger jede Ware frei ein- oder ausführen. Die Schengen-Grenzerweiterung selbesthat also für die Zollkontrollen keine Auswirkung." Im Moment werden die Verkehrshindernisse im Grenzgebiet beseitigt, die das Eigentum der Zollverwaltung sind. "Also alle Geschwindigkeitsbegrenzungen, Kontaktzellen, Ampeln usw.", erklärt Kerekova.

Für Jana Srutkova endet der Arbeitstag kurz nach 16 Uhr. "Der schlimmste Verkehr kommt immer am Freitagnachmittag, gegen 17 Uhr", und dann natürlich am Montag ab 7 Uhr zu Beginn der Arbeitswoche. "Aber wirklich toll ist die neue Autobahn. Da schaffen wir Wien 15 oder 20 Minuten schneller als vorher."

"Es gibt ziemlich viele Leute, die im Zug Bratislava-Wien täglich ihre zwei Stunden verbringen", erzählt Anton Khula, der 22-jähriger Student der Wirtschaftsuniversität Wien. "Wir haben sogar die Webseite gegründet und treffen uns regelmäßig - nicht nur im Zug, sondern auch nur so, zum Beispiel beim Biertrinken." Er wollte schon immer im Ausland studieren, wegen der Herausforderung. "Es ist auch nicht immer leicht, mit der Fremdsprache und so, aber das Niveau der Wiener Wirtschaftsuniversität scheint mir höher zu sein als in Bratislava", meint er. Die 380 Euro Studiengebühren pro Semester kann er sich leisten.

Tägliches Ritual

Die Grenzkontrollen im Zug gehören zum Ritual, das sich mit der Zeit verändert hat. "Ich erinnere mich noch an die Diebe, die in Bratislava eingestiegen sind, bei uns in der Zugabteilung. Sie kamen immer mit leeren großen Taschen, die dann am Rückweg voll waren. Sie waren den Zöllnern entweder verdächtig oder bekannt. Auf jeden Fall mussten sie die Belege zeigen. Für Anton Khula hat Schengener Abkommen eine psychologische Bedeutung. "Die österreichisch-deutsche Grenze war für mich ein Wunderland", sagt er. "Keine Leute, keine Kontrollen ... Nur Auf-Wiedersehen- und Willkommenschilder." (Lýdia Kokavcová, DER STANDARD - Printausgabe, 21. Dezember 2007)