Status quo seit 2000: Eine Fähre bringt täglich rund 200 Fahrzeuge von Angern nach Záhorská Ves über die March. Ab 2010 sollen sie über eine Brücke rollen können.

Foto: Gemeinde Angern
Heuer wurde erneut befragt: Fast zwei Drittel der Bevölkerung stimmten dem Bau einer befahrbaren Brücke nun zu.

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Angern - "Warum denn bauen wir nicht Brücken zueinander?", lautet der Refrain eines Kirchenlieds. Der Pfarrer der kleinen Grenzgemeinde Angern in Niederösterreich wollte dem Standard zu dieser Frage aber nichts sagen, obwohl sich in der Marktgemeinde an der March dieses Thema seit dem Fall des Eisernen Vorhangs immer wieder gestellt hat. Gleich nach der Ostöffnung entstand der Plan zur Errichtung eines Stegs für Fußgänger und Radfahrer in die slowakische Nachbargemeinde Záhorská Ves.

60 Prozent der Bevölkerung erteilten dem Projekt bei einer Bürgerbefragung damals eine Absage. "Es herrschte wohl Angst vor Einbrechern und davor, dass etwas gestohlen wird", meint Bürgermeister Robert Meißl (SPÖ). "Ich denke, dass ist auch ein wenig die österreichische Mentalität: Zuerst einmal ein bisschen Angst haben", sagt Meißl.

Stimmung gekippt

Fast zwei Jahrzehnte mussten vergehen und eine große Menge Wasser die March hinunterfließen, bis die Stimmung kippte. Am 21. Oktober 2007 sprachen sich bei einer neuerlichen Befragung rund 60 Prozent für den Bau einer Brücke aus. ÖVP und SPÖ haben deren Errichtung bereits im Gemeinderat beschlossen. 2010 soll die Verbindung für Fahrzeuge mit einem Gewicht von bis zu 7,5 Tonnen stehen. Acht Millionen Euro soll sie kosten, hochwassersicher sein und mit EU-Geldern finanziert werden. "Ich glaube, für die Region ist das eine wichtige und gute Sache", zeigt sich Meißl erleichtert.

Er freut sich auch über den Fall der Schengengrenze und feiert am Freitag mit Kindergartenkindern von Angern und Záhorská Ves mit Kinderpunsch bei der Fähre die neue Bewegungsfreiheit. Meißl: "Bisher haben bei Ausflügen in die Nachbargemeinde immer die Eltern mit Reisepass mitkommen müssen. Das hört jetzt auf." Und auch die Fähre, Ort der Feier rund 200 Meter westlich vom künftigen Standort der Brücke, soll bald Geschichte sein. Die Verbindung zwischen der Slowakei und Österreich schippert seit Jänner 2000 täglich rund 300 Fahrzeuge pro Tag über die March - außer bei Hochwasser, Eistreiben oder einem zu niedrigen Wasserstand. Auch ihrer Errichtung standen die Angerner skeptisch gegenüber.

"Damals haben die Leute befürchtet, dass eine Lkw-Lawine über sie hereinbrechen könnte", erzählt Meißl. Die Angst besteht bis heute: Ein Bürgerforum hatte auch diesmal bis zur Abstimmung (vergeblich) versucht, gegen die Brücke mobil zu machen, weil ein Anstieg des Verkehrs zu befürchten sei.

Laut Landesverkehrsplaner Friedrich Zibuschka ist diese Sorge "nicht wirklich" berechtigt: "Es werden nicht mehr Fahrzeuge die Brücke nutzen als die Fähre." Trotzdem gab es bei der Abstimmung im Oktober immer noch rund 600 Gegenstimmen. Sie tun vor allem dem Bürgermeister des benachbarten Záhorská Ves, Boris Simkovic, weh. "Ich war überrascht, dass heute immer noch so viele Menschen dagegen sind", sagt er. "Bei offenen Grenzen eine Brücke zu haben, ist doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit", meint Simkovic.

Dass viele in Angern das immer noch anders sehen, merkt man schnell: In drei Gasthäusern wollte sich gegenüber dem Standard zum Thema Brücke niemand äußern. Kurz angebunden hieß es: "Kein Kommentar", und: "Da habe ich mir schon einmal die Zunge verbrannt."

Es wird also noch dauern, Angerns Bürgermeister Meißl schätzt, zirka zehn Jahre, bis die Existenz der Brücke über die March für die Angerner sowie für den slowakischen Bürgermeister Simkovic und seine Gemeinde "das Normalste" ist, "was es geben kann". (Gudrun Springer, DER STANDARD - Printausgabe, 21. Dezember 2007)