Zur Person
Johannes Ekemezie Okoro, geboren 1949 in Kano, Nigeria, studierte ab 1974 an der Universität Innsbruck Theologie und ab 1978 auch Psychologie. Der ausgebildete klinische Psychologe, früher Mitglied der römisch-katholischen Kirche, ist seit 1998 als altkatholischer Seelsorger in Vorarlberg tätig.

Foto: Altkatholische Kirche Österreich

Im Dezember 2007 zum Bischof gewählt, soll Okoro am 2. Februar 2008 zum Oberhaupt der österreichischen altkatholischen Kirche geweiht werden. Er löst darin Bischof Bischof Bernhard Heitz (im Hintergrund) ab.

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Integration sieht er als einen Auftrag Jesu an die Christen. Es gelte jedoch, Ängste abzubauen - und dafür auch Probleme anzusprechen. Okoro setzt hier häufig seinen Humor ein: "Und ich versuche auch die Andersartigkeit der Österreicher zu akzeptieren, ihnen auch zu sagen, dass ich sie einfach liebe, wie sie sind – ohne sie zu verändern."

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Religionen sollten Brücken zwischen Menschen bauen statt angebliche Wahrheiten zu betonen, fordert Johannes Ekemezie Okoro im derStandard.at-Interview. Fundamentalismen, egal woher, erteilt der neu gewählte altkatholische Bischof Österreichs eine klare Absage. Wer Christ ist, müsse für Integration sein, interpretiert er die Bergpredigt: "Das ist der Auftrag Jesu.“ Die Kirchen sollten gemeinsam Ausbildungen für Flüchtlinge finanzieren, schlägt Okoro im Gespräch mit Heidi Weinhäupl vor.

 

 

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derstandard.at: Kann Religion zur Integration von Zugewanderten und Alteingesessenen beitragen?

Johannes Ekemezie Okoro: Die Hauptaufgabe der Religion ist es, Brücken zu bauen zwischen Menschen und zwischen Kulturen. Daher sollten wir als Christen alles versuchen, damit Menschen miteinander reden, feiern und sich austauschen können. Der Auftrag Jesu an uns ist die Einheit, als Christen. Aber man muss trotzdem versuchen, die Vielfältigkeit zu respektieren. Das heißt, man sollte „Anderen“ mit Respekt, Achtung, und Ehrfurcht begegnen. Religion darf nicht Menschen unterdrücken und diskriminieren. Und wenn sie das nicht kann, dann ist sie für mich fehl am Platz.

derStandard.at: Auf der anderen Seite hat ja auch jede Religion ein trennendes Element – zwischen Gläubigen, Nicht-Gläubigen, Andersgläubigen.

Okoro: Leider. Es sollte kein trennendes Element geben. Aber oft geht es um Macht, oder um die Verteidigung einer angeblichen Wahrheit, um unterschiedliche Auffassungen. Es gibt keine absolute Wahrheit. Ich glaube, die Liebe sollte uns verbinden – nicht ein Dogma oder eine absolute Wahrheit.

derStandard.at: Gerade zum Islam wird ja immer wieder eine scharfe Grenze konstruiert. Gibt es diese Grenze aus Ihrer Sicht?

Okoro: Politiker und Religionsführer betonen oft nur eine Seite der Religion. Dabei hat der Islam vieles, was uns eint. Ich unterscheide hier zwischen den fundamentalistischen und den mystischen Gruppierungen. Bei fundamentalistischen Gruppierungen habe ich meine Schwierigkeiten – im Islam wie im Christentum, im Buddhismus, im Hinduismus. Denn Fundamentalisten arbeiten mit Einengungen. Aber auf der Ebene der Mystik, der Spiritualität treffe ich mich mit allen Religionen – mit den Bahai, den Muslimen, den Buddhisten, den Christen. In Vorarlberg haben wir monatlich interreligiöse Gespräche, in denen wir das vertiefen, was uns verbindet. Es geht in jeder Religion um Heil.

derStandard.at: Hat Ihnen denn Ihre Religion bei der Integration geholfen, als Sie nach Österreich gekommen sind?

Okoro: Ja, Religion bietet etwas an, das über eine materielle Ebene hinausgeht, eine tiefere Sinnhaftigkeit. Ich habe schon als Kind die Möglichkeit gehabt, verschiedene Religionen kennen zu lernen. Mein Vater war Animist, später wurde er Christ und er hatte Kontakte mit Muslimen und Hindus. Die Jesuiten hatten mich eingeladen, mich in Innsbruck weiterzubilden – und die Offenheit dort hat mich beeindruckt.

derStandard.at: Sie kamen 1974 nach Innsbruck. Wie erging es Ihnen bei Ihrer Integration – haben Sie sich leicht oder schwer getan beim Kontakt mit den Leuten?

Okoro: Naja, ich bin so ein Wunderkind (lacht). Ich hatte an und für sich wenig Probleme gehabt – auch als Afrikaner oder Nigerianer konnte ich eine gute Beziehung zu den Tirolern, Vorarlberger und generell Österreichern aufbauen. Aber heute ist die Wahrnehmung von Afrikanern eine andere. Dort wo die Menschen Vorurteile und Ängste haben, dort entstehen Barrieren. Und viele Leute in Europa, aber auch in Afrika, haben Ängste. Meine Aufgabe als Bischof ist es, Menschen Ängste zu nehmen – Ängste vor dem Tod, aber auch Ängste vor Fremden.

derStandard.at: Wie genau könnte man den ÖstereicherInnen Ihrer Meinung nach diese Ängste vor dem Fremden nehmen?

Okoro: Wenn man Ängste abbauen möchte, ist es wichtig, offen miteinander zu reden, die Probleme und Ängste anzusprechen und miteinander eine Lösung zu suchen. Ich biete hier immer meinen Humor an. Und ich versuche die Andersartigkeit der Österreicher zu akzeptieren, ihnen auch zu sagen, dass ich sie einfach liebe, wie sie sind – ohne sie zu verändern. Wenn ein Mensch den anderen versucht zu verändern oder mundtot zu machen, dann entsteht eine gewisse Aggression und Distanz. Wenn eine Kultur glaubt, dass sie besser ist und andere Kulturen zu "verbessern" versucht, entsteht Angst und Aggression.

derStandard.at: Fordert denn die Bibel zur Integration auf oder eher zur Einheit der Christen?

Okoro: Das Neue und auch das Alte Testament sprechen von der Liebe. Die Liebe ist das Gerüst der Christen: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, liebe deine Feinde und so weiter. Die Bergpredigt zeigt, dass man als Christ für Integration sein muss – das ist für mich der Auftrag Jesu, es gibt für mich keine andere Möglichkeit.

derStandard.at: Wie beurteilen Sie die Rolle der katholischen Kirche in der Fremdenrechtsdebatte?

Okoro: In Vorarlberg habe ich Flüchtlinge aus Nigeria und aus dem Kosovo kennen gelernt. Diese jungen Leute kommen aus verschiedenen Gründen. Aber auch wenn sie nicht bleiben können, sollten sie in der Wartezeit die Möglichkeit haben, die Sprache zu lernen und eine Ausbildung zu machen. Die Caritas meinte dazu, das sei von der Regierung nicht gewünscht. Doch ich meine, die verschiedenen Kirchen – die katholische, evangelische, altkatholische – sollten miteinander eine andere Politik entwickeln, damit diese jungen Leute in Österreich eine Ausbildung bekommen, bevor sie nach Hause gehen.

derStandard.at: Die Kirchen sollten also selbst derartige Ausbildungen anbieten?

Okoro: Ja, oder eventuell die Gläubigen um eine Spende bitten, um das unterstützen zu können.

derStandard.at: Was unterscheidet die altkatholische von der katholischen Kirche?

Okoro: Das sind eher kosmetische Unterschiede, die Grundeinstellungen sind die gleichen: Wir glauben an Gott, an Jesus, den heiligen Geist. Doch die altkatholische Kirche glaubt, dass jeder Mensch für sich selbst entscheidet, wie er mit seinem Gott und seiner Religion leben will. Bei uns wählen daher auch Laien ihren Bischof, auch Frauen können Priesterinnen und Bischöfinnen werden. Mehrmalige Eheschließungen sind möglich; das Zölibat ist freiwillig. Homosexuelle oder andere Minderheiten, die sich in anderen Kirchen Schwierigkeiten haben, sich offen zu ihrer Identität zu bekennen, sind bei uns willkommen und können ihre Beziehung segnen lassen. Und wir begleiten aus der Kirche ausgetretene Menschen auch beim Sterben, wenn sie das wünschen.

derStandard.at: Das klingt eher nach neuen und modernen als alten Katholiken.

Okoro: (lacht) Jaja, „alt“ hat in Europa immer den Beigeschmack des Altmodischen, des Vergangenen. In Afrika ist man weise, wenn man alt ist. Altkatholisch bedeutet, wir möchten zurück zum Ursprung, zur Kirche Jesu.

derStandard.at: Die altkatholische Kirche spaltete sich ja anlässlich des Ersten Vatikanischen Konzils ab, als die Unfehlbarkeit des Papstes verkündet wurde.

Okoro: Ja, für uns ist klar, dass alle Menschen fehlbar sind – auch der Papst. Nur Gott ist unfehlbar. Dass er auch Fehler macht, hat ja der Papst in letzter Zeit mit seinen Äußerungen zum Islam in Regensburg und zur Missionierung in Brasilien gezeigt. (Heidi Weinhäupl, derStandard.at, 23.12.2003)