Atlanta - Sexuelle und psychische Misshandlung im Kindesalter verändert auf dramatische Weise die chemischen Abläufe im Gehirn von Frauen. Es macht sie als Erwachsene deutlich anfälliger für Angststörungen und für stressbedingte Erkrankungen. Verantwortlich dafür ist ein Schlüsselhormon, das die Antwort des Körpers auf Stress reguliert und bei missbrauchten Frauen sechs Mal stärker reagiert als bei anderen. Das ergab eine amerikanische Studie, die im " Journal of the American Medical Association " veröffentlicht wurde. Die WissenschafterInnen erhoffen sich von den Ergebnissen große Fortschritte in der Behandlung von Depressionen. Tests Das Trauma im Kindesalter macht dieses Hormon überempfindlich. Die Störungen wurden in der Studie an der Emory University in Atlanta sichtbar, als die ForscherInnen die Testpersonen aufforderten, komplizierte mathematische Probleme zu lösen oder vor einem anonymen Publikum zu reden, das keinerlei Reaktionen zeigt. Währenddessen wurde mit Bluttests die Reaktion der Hormone Cortisol und Corticotropin gemessen, die eng verwandt sind mit dem eigentlichen Schlüsselhormon CRF, das die Reaktion des Körpers auf Stress reguliert. Im Gegensatz zu CRF sind diese beiden Hormone wesentlich leichter zu messen. Bei missbrauchten Frauen zeigten sie eine deutlich stärkere Reaktion als bei den anderen. Weg, um Empfindlichkeit zu senken Der große Nutzen dieser Studie könnte es sein, einen Weg zu finden, diese Empfindlichkeit zu senken, sagte der an den Untersuchungen beteiligte Forscher Jeffrey Newport. Die derzeit verfügbaren Antidepressiva zielten noch recht allgemein und indirekt auf hormonellen Reaktionen ab. Auf Grundlage der neuen Studie könne nun nach Medikamenten gesucht werden, die gezielt die spezifischen Stress-Hormone beeinflussten. Zweifel Die Wissenschafterin Allie Kilpatrick von der University of Georgia bezweifelt allerdings diese Schlussfolgerungen. Es gebe so viele Faktoren, die für die langfristigen Folgen eines sexuellen Missbrauchs entscheidend seien. "Wer war die Person, die missbraucht hat; über welchen Zeitraum wurde die Frau missbraucht; wie viele Gewalterfahrungen und Traumata gab es in dieser Zeit? All dies spielt eine Rolle bei der Frage, wie das Opfer in seinem späteren Leben reagiert", betont sie. Es gebe Frauen, die sehr stark von dem kindlichen Trauma betroffen seien. Andere aber litten darunter gar nicht. (APA/AP)