Die Reminiszenz ans Hirschgeweih sprengt hier keine Rahmen.

Foto: Hotel Kristiania

Herr und Frau Biedermann aus Lech dürfen aufatmen. Vor dem Hotel Kristiania irritiert dieses Jahr keine Kunstinstallation. Nicht etwa, weil Ignoranz über den Kunstsinn der Hoteliersfamilie Schneider gesiegt hätte, sondern weil heuer Literaturschwerpunkt ist.

Ein Jahr Außeninstallation, ein Jahr Edition, schön abwechselnd, hat sich Gertrud Schneider, die junge Hotelière vorgenommen. "Ich will ja das Dorf nicht überfordern", lacht sie. Schließlich hat Aleksander Konstantinov, 2004, als Frau Schneider erstmals die Kunst nach außen brachte, mit seiner Schneeverhüllung einige verstört. Und erst recht Russell Maltz, der im Vorjahr gelb markierte Ziegel vor dem Haus zu einem "Sunbeam" schlichtete. "Baustelle", rümpften da manche die Nase. Ein schlimmes Wort im winterlichen Lech, wo Baustellen strengstens verboten sind.

Im Hotel verlegt

Der heurige Kunstwinter beschert Gertrud Schneiders Gästen eine Ausstellung des Berliner Malers Frank Piasta und ein weiteres Büchlein aus der Kristiania-Edition: "The Umbrella of Faith", eine Kurzgeschichte des britischen Autors William Stirling über einen skurrilen Stamm in Papua Neuguinea.

Ein schöner Zug von Frau Schneider, dass sie von ihren Autoren weder Orts- noch Hausbezug einfordert, keine Schreibaufträge vergibt, sondern fördert. "Zuerst war da schon die Marketingidee", räumt sie ein, "dann hab ich aber bemerkt, dass unsere Publikation für die Autoren bei der Verlagssuche wichtig sein kann." Als Mäzenin sieht sie sich nicht, "dafür fehlt das Budget". Eher als ein Mensch, der sein Interesse an der Kunst mit anderen teilen möchte. Eine Vermittlerin, als Obfrau der örtlichen Kulturinitiative KUL und auch als Gastgeberin. "Ich wollte nie so eine normale Wirtin sein. Essen, Trinken, Schlafen zu verkaufen, das war mir zu langweilig." Gertrud Schneider will ihre Gäste inspirieren, "überraschen mit dem eigenen Lebensgefühl".

Die Liebe zur modernen Kunst hat Gertruds Mutter Irmgard, eine leidenschaftliche Sammlerin, geweckt. Teile der Sammlung hängen im Kristiania, wechseln immer mal wieder den Platz. Eine Galerie in Bewegung, ganz nach wechselnder Befindlichkeit der Besitzerinnen.

Mit Witz und untrüglichem Sinn für Farben und Stoffe kombiniert Gertrud Schneider alpine Tradition, Lifestyle und Jugendstil. Es entsteht eine unverwechselbare Atmosphäre von Luxus, fern jeder Dekadenz und Aufdringlichkeit. Understatement, wie es das internationale Publikum liebt.

Bescheidenheit pur ist der Begriff "Service" für all die Extras, die Gertrud Schneider ihren Gästen bietet. Vom Kunstkanal über Kosmetik von Susanne Kaufmann bis zum Butler. Und immer wieder liebenswerte Kleinigkeiten wie das Abschiedspräsent aus Filz. Dazu ein kleiner Brief mit dezenter Empfehlung: "Sonia Zimmermann ist eine originelle Designerin in Lech."

Filz statt Pizza

"Alle hier machen Fremdenverkehr, ich wollte was anderes tun" – Sonia Zimmermann macht Design. Kleider und Accessoires aus Wolle, gewalkt, gefilzt, gestrickt. Weitab von Lodengrün und Dirndlrosa. Sie schneidet rein, franst aus und stichelt dann wieder detailverliebt. Widerständig mit der Nadel wie im Denken. "Lenai und Linai" ist über der Pizzeria. Die Tür mit dem Filzüberzug.

Auf halbem Weg zwischen Gertruds und Sonias Kreativstätten in Hanglage eine weitere Oase: Die "Allmeinde", auch "Commonground" genannt, von Katja und Gerold Schneider. Ein Stadel, vom Architektenpaar zum Ausstellungs-, Denk- und Werkraum ausgebaut. Diesen Winter täglich von 15 bis 18 Uhr zu sehen: Möbel des israelischen Designers Natanel Gluska.

Schlusstelegramm für Skifahrer: Winterwunderland. Schnee wie selten. Ein guter Meter Powder im Tal, oben doppelt so viel. Himmel blau, eisig kalt, wunderschön. 85 Seilbahnen, alle in Betrieb. Liftbänke geheizt. 276 Kilometer Piste, präpariert. 180 Kilometer Tiefschnee. Aufpassen, Lawinen. (Jutta Berger/DER STANDARD/Printausgabe/22./23.12.2007)