Wien/Graz/St. Pölten - In der Pflege-Debatte gab es auch am vierten Adventsonntag keine Pause im koalitionären Hick-hack. Diesmal: ÖVP gegen Bundespräsident Heinz Fischer. Dieser hatte am Samstag gemeint, dass die Gesetze zu vollziehen seien. Niederösterreich hat auch nach dem Auslaufen der Amnestie-Regelung Straffreiheit für drei Monate ab dem neuen Jahr angekündigt.

Daraufhin meldeten sich am Sonntag der steirische ÖVP-Obmann Hermann Schützenhöfer zu Wort: Man könne sich über die Äußerungen des Bundespräsidenten nur mehr wundern. "Heinz Fischer übernimmt die Rolle des Chefideologen der SPÖ, mischt sich in den NÖ-Wahlkampf durch einseitige Position in einer Weise ein, wie das einem Präsidenten eigentlich unwürdig ist und kein Beispiel kennt", so Schützenhöfer.

Auch der niederösterreichische VP-Obmann, Klaus Schneeberger, kritisierte Fischers Aussagen als "parteipolitischen Ansagen zur Unterstützung der herzlosen Politik von Minister Buchinger". Die SPÖ zeigte sich über die "Angriffe" der Volkspartei "erschüttert".

"Tief betroffen"

Er sei "tief betroffen von der Haltung des Bundespräsidenten", so Schneeberger am Sonntag. Ein Bundespräsident "sollte eine moralische Instanz zum Schutze der Schwächsten sein", so Schneeberger in einer Aussendung am Sonntag. "484 Straftäter" habe Fischer "im Rahmen der Weihnachtsamnestie begnadigt, aber wenn es um die Schwächeren geht, sieht er keinen Grund zur Gnade", meinte Schneeberger. "Wenn schon Amnestie, dann nicht für Einsitzende, sondern für Pflegebedürftige. Eine Generation, die dieses Land aufgebaut hat, kann vom Bundespräsidenten Respekt und Unterstützung erwarten und keine Strafandrohungen", sagte der VPNÖ-Klubobmann.

"Die Pröll-VP ist an 'politischer Perversität' kaum mehr zu übertreffen", konterte der SP-Nationalratsabgeordnete Anton Heinzl, der von "Angriffen" der Volkspartei gegen Fischer in Sachen Pflege sprach. "Es war die Pröll-VP, die in Niederösterreich als Erste den Angehörigen, die sich einer illegalen Pflegekraft bedient haben, die Strafbescheide ins Haus geschickt hat", kritisierte er. "Es war auch die Pröll-VP, die jahrelang der Pflegeproblematik tatenlos zugesehen hat. Sich nun am Bundespräsidenten 'reiben zu wollen' ist durchsichtiger als ein Kristallglas", so Heinzl in einer Aussendung. Dass "ausgerechnet" Heinzl als "Verteidiger" von Fischer auftrete, sei "bitter" für diesen, meinte VPNÖ-Landesgeschäftsführer Gerhard Karner.

Ausrücken

Auch am Samstag hatte die ÖVP in Sachen Pflege kampagnisiert. Samstagvormittag rückten die frühere steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic, Sozialsprecher Werner Amon, Familiensprecherin Ridi Steibl und Generalsekretär Hannes Missethon aus, um die eigene Position zu unterstreichen und Sozialminister Erwin Buchinger zu tadeln. "Wenn unzählige verunsicherte Betroffene wenige Tage vor Weihnachten verzweifelt bei den Pflegeorganisationen anrufen und nicht wissen, wie es ab dem 1. Jänner weiter geht, ist das ein Hilferuf, den die Politik ernst nehmen muss", erklärte "Landeshauptmann a.D." Klasnic, die auch die ÖVP-Arbeitsgruppe "Pflege" geleitet hatte.

Appell "an das Herz des Sozialministers"

Steibl forderte von Buchinger einen "weihnachtlichen Akt der Menschlichkeit", Klasnic appellierte "an das Herz des Sozialministers". Es brauche mehr Information und vor allem mehr Zeit, um sich auf die völlig neuen Voraussetzungen einzustellen. Weniger herzlich in Richtung Sozialminister Buchinger äußerte sich Amon: "Minister Buchinger hat offenbar noch nicht einmal die Aufgabenstellung verstanden". Auch Missethon verwies darauf, dass Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein bereits Schritte eingeleitet hätten, dass zunächst nicht gestraft werde: "Jetzt liegt der Ball einmal mehr bei Buchinger."

SPÖ gegen Verunsicherungen

Die SPÖ weist die Kritik des Koalitionspartners in Sachen 24-Stunde-Pflege zurück und wirft ihrerseits der Volkspartei vor, die Betroffenen zu verunsichern. Anstatt die Menschen über die gemeinsam erarbeitete Pflegelösung zu informieren, versuche die ÖVP nichts anderes, als den Menschen Angst zu machen und Verunsicherung zu schüren, erklärte Behindertensprecherin Christine Lapp in einer Aussendung.

Für den Fraktionschef im Bundesrat, Albrecht Konecny, hat die ÖVP ohnehin jedes Recht verwirkt, in der Pflegefrage Kritik zu üben. Dabei bezog er sich auf den Auszug der ÖVP-Bundesratsfraktion aus dem Sozialausschuss diese Woche, durch den beinahe ein Beschluss der Finanzvereinbarung in der Länderkammer unmöglich geworden wäre. Dieses Verhalten habe deutlich gemacht, dass die Volkspartei keinerlei Skrupel gehabt hätte, die illegale Situation bei der Pflege zu verlängern und die Menschen noch länger ohne Förderungen der öffentlichen Hand auskommen zu lassen. (APA)