Wien - Gegen "Zwangsintegrationsmaßnahmen" von Muslimen ist die neue Vorsitzende der Muslimischen Jugend Österreichs (MJÖ) Tugba Seker. "Durch Zwang kann nichts erreicht werden, er ist vielmehr Ursache von Radikalisierung", erklärte sie im Interview mit der APA zu Fragen wie Kopftuchverbot oder Gottesdienst verpflichtend in deutscher Sprache. "Gottesdienste werden nun mal in der Sprache gehalten, die die Mehrheit der Zuhörer versteht". Die radikalen islamistischen Strömungen schätzt die junge Vorsitzende in Österreich als "sehr schwach", die Terrorgefahr als "sehr gering" ein.

Für erfolgreiche Integration sieht Seker sowohl die muslimische als auch die österreichische Gesellschaft gefordert. Allerdings gehe die Diskussion rund um die Bildung von "Parallelgesellschaften" und Radikalismus ohnehin meist an der Realität junger Muslime vorbei, findet die Studentin: "Diese dreht sich oft vielmehr um Rap-Videos auf MTV und die neue Winterkollektion von H&M."

Identifikation

Für ihre Glaubensgemeinschaft fordert Seker in Österreich mehr Anerkennung ein. "Die Muslime haben am Gedeihen der Zweiten Republik ebenso mitgewirkt, wie die alt eingesessenen Österreicher, das sollte mehr anerkannt werden". Damit würde eine Identifikation der Muslime mit der österreichischen Gesellschaft selbstverständlicher werden, meinte sie.

Das durch den internationalen Terrorismus beeinträchtigte Image ihrer Religionsgemeinschaft möchte die junge Muslimin mit "mehr Partizipation und größerer Sichtbarkeit" verbessern. So müssten österreichische Muslime "praktisch zeigen", dass ein friedliches Miteinander möglich ist. Als Beispiel nannte Seker die Mobilisierung muslimischer Jugendlicher bei den Hochwasserkatastrophen.

"Übertrieben"

Zu Wehr setzt sich die Informatikstudentin gegen Gerüchte rund um die Spaltung der islamischen Glaubensgemeinschaft, insbesondere auch unter den Jugendlichen in Österreich. So sei etwa die Bedeutung der konkurrierenden radikaleren Islamistischen Jugend Österreich (IJÖ), deren Vorsitzender hinter einem der Terror-Drohvideos gesteckt haben soll,"in der Öffentlichkeit übertrieben worden". Die Mitgliederzahl des Vereins befinde sich im einstelligen Bereich, beteuerte Seker. Die MJÖ habe im Jahr 2006 hingegen 7.000 Mitglieder gezählt.

Auch von Aussagen jenes Mannes, der vergangenes Jahr eine Bombenattrappe vor dem Sitz der MJÖ deponierte, lässt sich Seker nicht beirren. Dieser hatte sein Aktion damit erklärt, dass er gegen die MJÖ protestieren wolle, da sie "zu defensiv" sei und nicht "die richtige Form des Islam" vertrete. Solche Meinungen seien selten, der Großteil der religiös organisierten Muslime in Österreich fühle sich von der Glaubensgemeinschaft sehr wohl repräsentiert, versicherte sie. Generell komme es zwar ab und zu zu Meinungsverschiedenheiten, bedeutsame Spaltungen innerhalb der Muslime in Österreich gebe es aber keine.

"Positives Signal"

Ihre Wahl zu ersten weiblichen Vorsitzenden einer islamischen Organisation in Österreich sieht Seker als "positives Signal an die jungen Muslimen und die österreichische Gesellschaft im Allgemeinen". Das Leben muslimischer Frauen sei zwar oft von frauenfeindlichen Traditionen geprägt, diese seien aber nicht religiös begründbar, unterstrich die MJÖ-Vorsitzende. "Ich persönlich erlebe täglich, dass Frauen im Islam emanzipiert sind", betonte sie und verwies darauf, dass in der MJÖ die Mehrheit der aktiven Mitglieder weiblich sei: "Und das ganz ohne Quotenregelung".

Tugba Seker hat den Vorsitz der MJÖ vergangenes Wochenende von Wolfgang Bauer übernommen. Die 24-jährige Niederösterreicherin studiert Informatik und war zuvor Vorsitzende der MJÖ Niederösterreich. Die MJÖ ist seit 2003 die Jugendorganisation der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich und seit 2006 Mitglied der Österreichischen Bundesjugendvertretung. (APA)