Beim Chinesen kann man essen und über Fußball reden.

Foto: Standard/Corn

Die Erbers sind der Austria und dem Nationalteam sehr eng verbunden, das hat Gerhard in 81 Ordnern festgehalten.

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STANDARD:Was hat Sie das Nationalteam schon gekostet, von Nerven einmal abgesehen?

Herr Erber: Natürlich viel Geld, weil wir ja bei jedem Auswärtsspiel dabei sind. Seit 1987 sind wir im VIP-Club, das ist Jahr für Jahr eine große finanzielle Investition. Drei WM-Endrunden sind ja auch nicht gerade billig. Am teuersten war Spanien 1982: für die Vorrunde 28.000 Schilling pro Person. Gewohnt haben wir in einem schäbigen Dreisternehotel. Aber ich kann es schwer sagen, irgendwie geht es sich immer aus. Bei Großereignissen kann man ja notfalls einen kleinen Kredit aufnehmen, als Bankangestellter sitze ich an der Quelle.

STANDARD: Sie führen Buch über Ihre Match-Besuche. Wie viele waren es bisher?

Herr Erber: 3826, davon 281 Länderspiele. Den großen Rest macht die Austria aus. Wir schauen uns alles an, die Amateure, früher die U21, jedes Testspiel. Die Mama ist seit 1979 fix dabei. Ich habe schon 81 dicke Ordner angelegt und es werden immer mehr. Alles wird genau aufgezeichnet.

STANDARD: Eine Leidenschaft muss kein Ende haben, aber doch einen Anfang? Wie war das bei Ihnen, Frau Erber?

Frau Erber: Erzähl lieber du.

Herr Erber: Ich bin 1953 geboren, in Jedlesee aufgewachsen. Dort hat die Admira gespielt. Am 3. Mai 1959, ich weiß es genau, hat mich der Papa auf den Fußballplatz mitgenommen. Ein Geburtstagsgeschenk. Admira gegen Austria endete 3:3. Mir haben die Violetten so gut gefallen, mir war klar, ich bin jetzt ein Austrianer. Später habe ich maturiert, bin ins Berufsleben eingestiegen, habe mir ein Auto gekauft. Die Leidenschaft hat sich gesteigert, ich konnte nun auch zu Auswärtsspielen fahren. Ich komme auf 20.000 Kilometer im Jahr. Praktisch alle für den Fußball. Im Laufe der Zeit haben sich mehr als eine halbe Million angesammelt.

STANDARD: Und was war mit Ihrer Frau Mama?

Herr Erber: Ich habe die Mama motiviert, auch deshalb, weil es alleine im Auto ziemlich fad war. Ich hab ihr gesagt, fahr mit, verbinden wir das mit einem Sonntagausflug. Sie war begeistert, ihre Leidenschaft war geweckt.

Frau Erber: Ich hatte auch immer Angst, wenn er allein unterwegs war.

Herr Erber: Natürlich ist ihr nichts anderes übrig geblieben, als auch ein Austria-Fan zu werden. Da habe ich sie beeinflusst. Uns sie kennt sich mittlerweile sehr gut aus.

STANDARD: Was fasziniert Sie am Fußball, Frau Erber?

Frau Erber: Das Spiel, die Beweglichkeit. Ich war eine Vorreiterin, heutzutage sind recht viele Frauen im Stadion.

STANDARD: Mit Verlaub. Werden Sie im Freundeskreis bisweilen für verrückt erklärt?

Herr Erber: So richtig für verrückt eigentlich nie. Meine Mama hat seit 50 Jahren eine Freundin, die bewundert das sogar. Und bei mir weiß es eh ein jeder, ich bin bekannt wie das falsche Geld. Daher wird das akzeptiert. Außerdem verbinden wir die Reisen auch mit Kultur. In jeder Gegend kann man sich etwas anschauen, in jeder Gegend findet man Ecken, die interessant sind. Und gutes Essen gibt es mittlerweile fast überall.

Frau Erber: Mein Sohn lädt mich ein, er zahlt mir alles. Ich kriege ja keine Pension. Er ist ein sehr liebes Kind.

Herr Erber: Es ist wunderschön, wenn man im Winter beim Trainingslager der Austria in der Wärme ist und zwischen den Testspielen unter den Palmen spazieren geht.

STANDARD: Diese Kombination Austria plus Nationalteam ist ungewöhnlich.

Herr Erber: Für mich war von Anfang an klar, dass das Nationalteam dazugehört. Ich bin Patriot. Ich scheue mich nicht, die Hymne mitzusingen. Ich finde es nicht schlecht, dabei die Hand aufs Herz zu legen. Ich bin ein stolzer Österreicher, obwohl man damit vorsichtig umgehen soll. Ich bin auch ein überzeugter Wiener. Im Ausland wird man dafür sehr bewundert.

STANDARD: Gab es Reisen und Spiele, die Sie sich gerne erspart hätten?

Frau Erber: Nein, nie.

Herr Erber: Wir hatten das 0:1 gegen Färöer, ein 0:9 gegen Spanien. Der Herr Wunderl, ein Fan, der auch zu Länderspielen reist, ist am Flughafen neben mir gesessen und hat gesagt, er überlegt sich, seine Teamkarriere zu beenden. Ich habe geantwortet: "Wir nicht."Ich bin kein Schönwetteranhänger, man muss sich mit Gegebenheiten abfinden, ich akzeptiere die Realität.

Frau Erber: Mich stört die ewige Jammerei.

Herr Erber: Das nervt. Wir leiden nicht am Cordoba-Syndrom. 1973 gab es innerhalb von ein paar Tagen ein 0:7 gegen England und ein 0:4 gegen Deutschland. Wieso sollte ich da von den guten alten Zeiten reden? Wichtig ist, Kontakte zu knüpfen, mit Spielern, Trainern, Funktionären. Ich lade jedes Jahr die Austrianer zu meinem Geburtstagsessen ein. Einmal sind schon 13 Spieler gekommen.

STANDARD: Ein Hardcore-Fan auf der Stehplatztribüne mit Fahne und Trompete waren Sie aber nie.

Herr Erber: Nein, das kam ja erst später. Ich mag auch das Wort Fanatiker nicht. Ich bin ein Intensiv-Edel-Anhänger, das passt. Ich hasse Rapid nicht, die Grün-Weißen sind für mich nur der Stadtrivale.

STANDARD: Welche Teamchefs, welche Austria-Trainer haben Ihnen besonders getaugt?

Herr Erber: Da muss man zwischen persönlich und sportlich differenzieren. Sportlich war jeder gut, der eine WM-Endrunde erreicht hat. Persönlich hatten wir zu Otto Baric ein ausgezeichnetes Verhältnis. Der hat uns geschätzt, ich will nicht sagen geliebt. Er ist im Hotel zu uns gekommen, wir haben Kaffee getrunken und fachlich diskutiert. Das war mir schon fast peinlich. Bei der Austria waren die meisten okay, nur der Egon Coordes ist im Lauf der Zeit unausstehlich geworden. Er hat geglaubt, wir sind vom Vorstand geschickte Spione. Aber Coordes hat es insofern nicht bös gemeint, als er jeden beschimpft hat.

STANDARD: Und Hans Krankl, der Erz-Rapidler?

Frau Erber: Sehr gut, der Krankl hat uns bewundert.

Herr Erber: Wir waren und sind seine Lieblings-Austrianer. Hickersberger ist sehr nett. Ich bin aber der Meinung, dass man nicht so sehr aufs Alter schauen sollte. Bei der EURO sollten die Besten spielen. Er kennt meine Meinung.

STANDARD: Wie schneidet Österreich bei der EURO ab?

Herr Erber: Wenn man die Mannschaft bis dahin hinkriegt, die Schlüsselspieler gesund sind, ist das Viertelfinale nicht auszuschließen. Das sage ich mit aller Vorsicht. Aber wir sind überhaupt nicht böse, wenn es bei den drei Partien in der Vorrunde bleibt. Ich würde Spanien den Titel ehrlich gönnen, die Mama mag Frankreich sehr gern.

STANDARD: Ihre Treue wurde vom ÖFB mit EURO-Eintrittskarten belohnt.

Herr Erber: Ja, das ist nur gerecht, das haben wir ehrlich gesagt erwartet. Wir haben uns zwei VIP-Abos um insgesamt 2500 Euro geleistet. Mit garantiertem Parkplatz am Wiener Messegelände.

Frau Erber: Mein Sohn lädt mich ein.

STANDARD: Ein Leben ohne Fußball: vorstellbar?

Herr Erber: Nein. Und wenn man etwas macht, sollte man es gescheit tun. Wir mögen keine halben Sachen. (DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 24. Dezember 2007, Christian Hackl)