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Kardinal Aloisio Lorscheider starb am Sonntag, den 23. Dezember, im Alter von 83 Jahren.

Foto: AP Photo/Osservatore Romano
Rio de Janeiro - Der brasilianische Kardinal Aloisio Lorscheider, einer der profiliertesten Kirchenführer Lateinamerikas und Anhänger der Befreiungstheologie, ist im Alter von 83 Jahren gestorben. Wegen seines sozialen Engagements wurde er als "Erzbischof der Armen und Entrechteten" verehrt. Der emeritierte Erzbischof von Aparecida erlag am Sonntag in einer Klinik der südbrasilianischen Stadt Porto Alegre einem multiplem Organversagen, berichteten Medien unter Berufung auf Krankenhaussprecher. Lorscheider hatte jahrelang Herzprobleme gehabt und lag seit Ende November im Krankenhaus. Am 11. Dezember hatte er einen Hirnschlag erlitten.

Lorscheider leitete die Verpflichtung zum sozialpolitischen Engagement und zum Einsatz für die Menschenrechte vom christlichen Glauben ab. Während der Militärdiktatur (1964-1985) zwischen 1971 und 1978 war der Franziskaner Präsident der brasilianischen Bischofskonferenz CNBB und zwischen 1976 und 1979 auch Präsident der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz CELAM. 1976 wurde der Sohn deutscher Einwanderer von Papst Paul VI. in das Kardinalskollegium aufgenommen. Lorscheider wurde mehrfach mit dem Tode bedroht. Auf sein Haus wurde ein Sprengstoffanschlag verübt.

Verfechter der Menschenrechte

In Brasilien geht Lorscheider als engagierter Verfechter der Menschenrechte in die Geschichte ein. Während der Diktatur setzte er sich für ein Ende der Folterungen der Regimegegner und für die Rückkehr zur Demokratie ein. Mit seiner großen menschlichen Ausstrahlungskraft kämpfte er auch für Landlose, Armen und Häftlinge. Die Leser des Nachrichtenmagazins "Istoe" wählten Lorscheider zu einem der zwölf wichtigsten Brasilianer des 20. Jahrhunderts.

Von konservativen Kirchenkreisen wurde Lorscheider aber auch angefeindet. Er machte kein Hehl daraus, dass er sich als Fürsprecher der in Lateinamerika verbreiteten Theologie der Befreiung ansah. In Lateinamerika gehe es nicht um Unterentwicklung oder Entwicklung, sondern um Freiheit und Unterdrückung. Man habe den Unterdrückten die Stimme geraubt und sie zu Nicht-Menschen erniedrigt, sagte er einmal bei einem Besuch in Deutschland. Die Befreiungstheologie suche das Gespräch zwischen Realität und Glauben.

Mahnbrief des Papstes

Johannes Paul II. schickte ihm 1988 einen Mahnbrief. In einer Instruktion hatte sich die vom heutigen Papst Joseph Ratzinger geleitete Glaubenskongregation bereits 1984 von der Befreiungstheologie distanziert. Darin wurde der Befreiungstheologie vorgeworfen, die christliche Erlösung letztlich mit - oft marxistisch geprägten - sozialrevolutionären Bestrebungen zu identifizieren.

Im September desselben Jahres begleitete Lorscheider zusammen mit Kardinal Paulo Evaristo Arns den führenden Vertreter der Befreiungstheologie, Leonardo Boff, zum Disput mit Kardinal Ratzinger nach Rom. Am Ende wurde Boff gemaßregelt und trat aus dem Franziskanerorden aus.

Lorscheider setzte sich immer wieder auch für die Belange von Strafgefangenen ein. Im März 1994 geriet er in die Schlagzeilen, als er bei einem Besuch der Strafanstalt Sarasate bei Fortaleza zusammen mit zwölf Begleitern in die Hände meuternder Häftlinge geriet, jedoch nach 18 Stunden wieder unversehrt freigelassen wurde. (APA)