TV-Nachrichten 2007

Grafik: STANDARD
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Elf Jahre "ZiB 1" unter Beobachtung

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2006 auf 2007, ein Wechsel wie aus dem Lehrbuch des Fernsehens, insbesondere des öffentlich-rechtlichen. Die SPÖ kam 2006 noch auf 26 Prozent der Redezeit, als Kanzlerpartei 2007 auf 42 Prozent. Parallel verlor das BZÖ von der Regierungsfraktion zur Opposition von einem Jahr aufs andere zehn Prozentpunkte auf sieben Prozent. Die ÖVP bleibt am Ruder und bei knapp vierzig Prozent relativ konstant.

"Medien-Bonus"

"Regierungen haben grundsätzlich, auch im internationalen Vergleich, einen 'Medien-Bonus' der Präsenz", erklärt Mediawatch-Geschäftsführer Clemens Pig: "Diese internationale Nachrichtenlogik ist nach dem Wechsel in der ORF-Führung gleich geblieben."

Beschwerden der Opposition mit Daten von Mediawatch kontert Pig: "Wer nichts zu sagen hat, was Nachrichtenwert hat, darf auch nicht erwarten, medial präsent zu sein."

Themen

Wichtigstes TV-Thema der Regierungsparteien war heuer Bildung, der Grünen die Eurofighter, des BZÖ Minderheiten (Ortstafeln) und der FP interner Machtkampf.

Redezeit

Etwas abgenommen hat die Redezeit von Politikerinnen in der - auch nach der Reform (siehe Quotengrafik) - wichtigsten Infosendung des Landes, der "ZiB 1".

Trennlinie

Mediawatch-Geschäftsführer Clemens Pig zu

... Dominanz der Regierung in der "ZiB"

"Dass die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP die 'ZiB 1' dominieren, ist wenig überraschend. Knapp achtzig Prozent aller Partei-Redezeiten gehen auf das Konto von SPÖ und ÖVP, das Top-15-Politikerranking in der ZiB 1 ist vor allem mit Regierungsmitgliedern bestückt. Der Grund für diese Dominanz in der ZiB ist ein einfacher: Regierungen haben grundsätzlich – auch im internationalen Vergleich – einen 'Medien-Bonus', was die Präsenz betrifft. Das ist ein relativ natürliches Phänomen und betrifft nicht nur die öffentlich-rechtlichen Sender, das finden wir etwas abgeschwächt auch in den Privat-Sendern.

Regierungsmitglieder, Staatschefs etc. haben eine größere Exekutiv-Macht und sind somit in der Hierarchie der Akteure notgedrungen attraktiver für die Berichterstattung als OppositionspolitikerInnen. Diese internationale redaktionelle Nachrichtenlogik ist auch nach dem Wechsel in der ORF-Geschäftsführung gleich geblieben; im öffentlich-rechtlichen ORF glauben politische Parteien aber, einen 'berechtigten' oder 'legitimen' Einfluss ausüben zu können.

Foto: REUTERS/Herbert Neubauer
Bundeskanzler Gusenbauer (SPÖ) und Vizekanzler
Molterer (ÖVP).

Diese Logik oder 'Präsenz-Formel' zeigt sich auch eindrucksvoll in der Verschiebung der Parteipräsenzen in der 'ZiB 1' von 2006 auf 2007, also im Wechsel der ÖVP-BZÖ-Regierung auf die SPÖ-ÖVP-Regierung. Während der SPÖ-Anteil an der gesamten Redezeit der Parteien von rund 26 Prozent (2006) auf 42 Prozent (2007) steigt, sinkt der BZÖ-Anteil von rund 17 Prozent auf sieben Prozent. Die ÖVP als 'ständige' Regierungspartei bleibt bei knapp vierzig Prozent relativ konstant."

... Agenda-Setting der Parteien

"Es ist aus Sicht der Opposition nachvollziehbar, unsere Daten zu verwenden, um den ORF 'anzuschießen'. Mediale Präsenz ist allerdings, wie oben ausgeführt, nicht nur eine Bringschuld des öffentlich-rechtlichen ORF, sondern vor allem eine Bringschuld der politischen Akteure. Wer nichts zu sagen hat, was Neuigkeits- oder Nachrichtenwert hat, der darf auch nicht erwarten, medial präsent zu sein - egal ob Regierungs- oder Oppositionsmitglied.

Zudem ist aus Sicht der Parteien nicht jede Medienpräsenz eine wünschenswerte. Wir als Medienanalytiker sehen mangelhaftes oder schwaches proaktives Agenda-Setting als Hauptursache für geringe oder auch unliebsame Medienpräsenz der Parteien und ParteienvertreterInnen. So war die FPÖ im Jahr 2007 – neben O-Tönen zum Banken-U-Ausschuss – medial vorwiegend mit sich selbst beschäftigt: mit unangenehmen Themen wie den parteiinterne Differenzen und Machtkämpfen sowie den 'Foto-Vorwürfen' gegen Parteichef Strache.

Das BZÖ konzentrierte sich in seiner medialen Selbstdarstellung in der ZiB 1 auf die Themenkomplexe Minderheiten und Ausländer-Asyl. Den Grünen ist es am besten gelungen, ihre Redezeiten in der ZiB 1 auf ein zentrales Thema zu bündeln: über zwanzig Prozent ihrer O-Töne in der ZiB 1 kreisen um den Eurofighter; es folgen die Themen Äußere Sicherheit und Ausländer-Asyl.

Der Kampf der Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP um eine pragmatische Positionierung in der politischen Mitte spiegelt sich auch in der medialen Themenkonkurrenz wider: Sowohl SPÖ als auch ÖVP rücken in ihrer medialen Selbstdarstellung den Themenkomplex Bildung in den Mittelpunkt (die ÖVP noch akzentuierter als die SPÖ). An zweiter Stelle folgt bei beiden Parteien das Konfliktthema Eurofighter."

... genereller Verknappung der Redezeiten in der "ZiB"

"Deutlich auffälliger als die Dominanz der Regierung in der 'ZiB' ist die generelle Verknappung der Redezeiten der Parteien: Auf die Top-15-PolitikerInnen berechnet, sinkt der Parteien-O-Ton in der 'ZiB 1' im Vergleich zu 2006 um rund dreizehn Prozent. In den 'ZiB'-Beiträgen kommen politische Akteure seltener zu Wort, ins Zentrum rücken dafür Journalisten, die die verschiedenen politischen Positionen darlegen und analysieren. Ein klarer Trend in allen westlichen Mediendemokratien: es gibt eine wachsende Bereitschaft des politischen Journalismus, in eine aktive Interpreten- und Analystenrolle zu schlüpfen. In der Fachwelt läuft dieser kritisch-reflexive Zugang unter dem Titel 'journalistische Autonomisierung' als redaktionelle Gegenstrategie zu politischen Instrumentalisierungsversuchen." (fid/DER STANDARD, Printausgabe, 27.12.2007)