Sieht Verbesserungsbedarf, aber keinen Systemfehler: Wehsely

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Ärzte-Verfehlungen solle man ihr "melden, damit ich hart durchgreifen kann", sagt Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SP) im Gespräch mit Gudrun Springer und Petra Stuiber. Hart geht sie vorerst jedenfalls mit NÖ-Landeshauptmann Pröll und Ministerin Kdolsky (beide VP) ins Gericht, VP-Ministerin Kdolsky sei gesundheitspolitisch abwesend. Systemfehler sieht Wehsely nicht, in puncto Nebenbeschäftigungen gebe es jedoch ein paar schwarze Schafe: fünf Nebenjobs, nie da und nur auf das Geld aus.

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STANDARD:: In letzter Zeit häufen sich Negativmeldungen über Wiens Spitäler. Haben Sie als Verantwortliche etwas falsch gemacht?

Wehsely: In Wien bekommen alle, unabhängig von Alter, Einkommen und Geschlecht, die beste medizinische Versorgung. Wie überall können auch Fehler passieren. Man muss laufend schauen, wo etwas verbessert werden kann.

STANDARD:: Stichwort Psychiatrie: Können Sie ausschließen, dass Patienten aus Personalmangel fixiert werden?

Wehsely: Das Unterbringungsgesetz trifft hier klare Regelungen. Die Belastung für das Pflegepersonal steigt aber, weil die Aggression zunimmt. Ich habe angeordnet, dass Beschränkungsmaßnahmen künftig von Beginn an der Justiz zu melden sind und es unangemeldete Kontrollen gibt.

STANDARD:: Sind Netzbetten noch zeitgemäß?

Wehsely: Diese medizinische Frage ist dringend unter Fachleuten zu diskutieren. Unser aller Ziel ist es, irgendwann so gute Medikamente zu haben, dass Netzbetten obsolet sind.

STANDARD:: Gibt es grundsätzlich genügend Personal im Spitalsbereich?

Wehsely: Wir haben im Otto-Wagner-Spital eine sehr geringe Personalfluktuation und verstärken den Ärztebereich. Wien bekommt allgemein mehr Ärzte, damit es nicht zu Arbeitszeit-Überschreitungen kommt.

STANDARD:: Immer wieder klagen Patienten, dass Ärzte zu wenig im Spital anwesend seien. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

Wehsely: Das Problem kommt zwar vor, aber ein grundsätzliches Strukturproblem sehe ich nicht. Ich bekomme, im Gegenteil, sehr viel positives Feedback von Patienten zum Wiener Gesundheitssystem.

STANDARD:: Es gibt ein paar Spitzenverdiener unter den Ärzten und viele andere - zum Beispiel am Wiener AKH -, die schlecht verdienen. Wie können Sie da sagen, dass das System okay sei?

Wehsely: Zu diesem Punkt müssen Sie Wissenschaftsminister Hahn befragen. Die jungen AKH-Ärzte verdienen wirklich sehr schlecht. Es wäre wichtig, am Gehaltsschema des Bundes etwas zu ändern. In puncto Nebenbeschäftigungen gibt es ein paar schwarze Schafe: fünf Nebenjobs, nie da und nur auf das Geld aus. Die diskreditieren leider alle anderen.

STANDARD:: Die Ärztekammer verteidigt aber die hohen Einkommen der "Stars".

Wehsely: Ich stelle nur fest: Wegen meines Planes zur Einführung des Infrastrukturbeitrags im AKH stieg die Ärztekammer auf die Barrikaden. Jene, die nur 1400 Euro netto verdienen, werden in der Praxis aber vom Infrastrukturbeitrag nicht betroffen sein.

STANDARD:: Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky behauptete im Zuge der Debatte um Privathonorare von Ärzten, es gebe keine Zwei-Klassen-Medizin. Stimmt das?

Wehsely: In Wien bekommt jeder eine akut benötigte Operation sofort. Und ab Jänner 2008 werden Wartelisten aller Spitäler zusammengeführt, um Wartezeiten zu verkürzen. Ich kann aber nicht ausschließen, dass schon einmal einem Arzt ein Kuvert zugesteckt wurde. Daher meine Bitte: Wer von so etwas erfährt, soll sich bei mir unter Nennung der Beteiligten melden, damit ich hart durchgreifen kann.

STANDARD:: Vonseiten des Personals kommen zuletzt häufig Beschwerden - aber anonym, aus Angst vor Racheakten.

Wehsely: Da mangelt es schon an Zivilcourage, und da sage ich: ,Totgefürchtet ist auch gestorben'. Ich sage nicht, dass es Dinge, die da behauptet werden, nicht geben kann, aber ein Massenphänomen liegt hier nicht vor.

STANDARD:: Wie eng ist Ihr Kontakt zu Gesundheitsministerin Kdolsky?

Wehsely: Ich überlege gerade, in welchen gesundheitspolitischen Fragen Ministerin Kdolsky sich dieses Jahr eingemischt hat. Sie ist in Fragen, wie wir das Gesundheitssystem verbessern und es nachhaltig finanzieren können, wenig präsent.

STANDARD:: Die Wiener Gebietskrankenkasse klagt die Stadt Wien auf 47 Millionen Euro. Nervös?

Wehsely: Ich sehe der Klage gelassen entgegen. Wir decken 50 Prozent des Abgangs im Hanuschspital, das der Gebietskrankenkassa gehört. Und zwar für die Behandlung der Wiener. Die Kassa sagt jetzt, dass wir beim Hanuschspital auch dazu verpflichtet wären, für Nichtwiener zu zahlen. Das sehen wir anders.

STANDARD:: Niederösterreich geht einen eigenen Weg in der Pflege. Einen sozialeren Weg?

Wehsely: Niederösterreich führt mit 2008 ein, dass Kinder nicht mehr für die Pflege ihrer Eltern zahlen müssen. Das gibt es in Wien seit 25 Jahren. Das aktuelle Pflegepaket haben wir im Oktober ausgehandelt und da geht es nicht um Amnestie, sondern scheinbar um wahlkampfbedingte Amnesie. Ich halte das zwischen Bund und Ländern ausverhandelte Modell für gut. Das läuft jetzt ein Jahr und wird evaluiert.

STANDARD:: Können Angehörige auch in Wien sicher sein, dass sie im Nachhinein nicht für die Beschäftigung "illegaler" Pfleger bestraft werden?

Wehsely: Soweit ich weiß, hat die Sozialversicherung darauf verzichtet. Auch hier hat Landeshauptmann Pröll gesagt: In Niederösterreich strafen wir nicht. Wo sind wir denn? Kann jetzt der Landeshauptmann auf einmal Bundesgesetze außer Kraft setzen? (Gudrun Springer, Petra Stuiber, DER STANDARD Printausgabe, 27.12.2007)