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Ein Knaller kann das Ohr nachhaltig schädigen

Foto: APA/dpa/Jochen Lübke
Das Problem: Man muss nicht selber böllern um in den Genuss eines Knalltraumas zu kommen. "Am schlimmsten ist der Überraschungseffekt", beschreibt Wolf-Dieter Baumgartner, Facharzt für Hals-Nasen-Ohren am Wiener AKH, den akustischen Augenblick, der für das menschliche Gehör besonders schwer zu ertragen ist. Völlig unvorbereitet richtet akuter Lärm in der Regel mehr Schaden an, als wenn damit zu rechnen ist. In den Tagen vor dem Jahreswechsel ist man explodierenden Knallkörpern regelrecht ausgeliefert. Geschützt ist nur, wer daheim bleibt.

Ungebremst bis ins Innenohr

Möglich, dass der Schaden im Ohr tatsächlich ein geringerer ist, wenn man sich geistig darauf einstellt. Aber auch mit der entsprechenden Erwartungshaltung und Aufmerksamkeit kann eine Millisekunde ausreichen, um im schlimmsten Fall zu ertauben. Genau in der Kürze liegt nämlich die Würze des Knalltraumas. Mit einem Schalldruckpegel von über 140dB rast die Schallwelle eines explodierenden Schweizer Krachers ungebremst bis ins Innenohr. Und schädigt dort in nur einer Millisekunde die Haarzellen – Sinneszellen die für das Hören verantwortlich sind.

Schäden im Hörtest nachweisen

Im Mittelohr tut sich beim Knalltrauma indessen nichts. Ein Blick ins Ohr ist der beste Beweis. "Ein knalltraumatisiertes Ohr sieht völlig gesund aus", weiß Baumgartner zu berichten. Nachweisen lassen sich Innenohrschäden nur mit einem Hörtest. Der Betroffene selbst hat unangenehme Beschwerden: Klingelnde Geräusche in einem Ohr, das sich anfühlt, als wäre es mit Watte gefüllt.

Regeneration

Die meisten Knalltraumatisierten bekommt der Wiener HNO-Arzt erst gar nicht zu sehen. "Das Ohr ist regenerationsfähig", berichtet Baumgartner und vergisst dabei nicht zu betonen, dass diese Fähigkeit äußerst begrenzt ist. Sie lässt nicht nur mit der Wiederholung derartiger akustischer Ereignisse, sondern auch mit zunehmendem Alter deutlich nach. Ist der Schalldruckpegel besonders hoch, dann kann das Knalltrauma schon beim ersten Mal zum gänzlichen Verlust der Hörfähigkeit führen.

Behandlung mit gefäßerweiternden Medikamenten

Im Spital erscheinen jedenfalls nur jene, die auch Tage später noch unter dem penetranten Ohrgeräusch leiden. Ob die Behandlung im Anschluss dann auch Früchte trägt, ist im Fall des Knalltraumas leider nicht wirklich beweisbar. Infusionen mit Cortison und gefäßerweiternden Medikamenten sind daher immer noch State of Art. Theoretisch ist die Wiederherstellung des Gehörs auch ohne Therapie, nur aufgrund der Regenerationsfähigkeit des Ohres, denkbar. Darauf verzichten würde Baumgartner aber auf keinen Fall.

Explosionstrauma

Ein paar Millisekunden mehr und der Schaden im Ohr ist bereits ein völlig anderer. Der Mediziner spricht nun vom Explosionstrauma. Betroffen ist hier das Mittelohr, das Innenohr bleibt unbehelligt. Das macht die Diagnose leichter, denn die klassischen Trommelfellverletzungen oder dislozierte Gehörknöchelchen sind für den Experten mit dem Otoskop problemlos zu erkennen.

Chirurgische Hilfe

Therapeutisch ist die Sache ebenfalls eindeutig. "Ein Explosionstrauma macht in der Regel eine chirurgische Intervention erforderlich", erklärt Baumgartner. Mit besonders viel Pech rupturiert das runde Fenster, eine Membran die das Mittelohr vom Innenohr trennt. Diesen Schaden vermag dann auch der beste Chirurg nicht mehr zu reparieren. Das Ohr bleibt gehörlos.

Klassiker unter den Explosionstraumata zu Silvester ist der selbst gebastelte Böller. In der Mehrzahl finden sich in Österreichs Ambulanzen zu Silvester aber mehr Innenohrgeschädigte ein.

Daheim bleiben ist für Baumgartner jedenfalls nicht die Lösung, er rät aber dazu unübersichtliche Menschenansammlungen in der Silvesternacht zu meiden. Nur so behält man die Kontrolle über seine Ohren. Wer den Wiener Stephansplatz nicht auslassen will, der greift am besten zu Ohrenstöpseln. (phr, derStandard.at, 28.12.2007)