Pekings Regierungschef Wen Jiaba und Tokios neuer Premier Yasuo Fukuda wollen sich für eine friedliche Lösung in ihrem Territorialstreit im Ostchinesischen Meer aussprechen. „Die Gespräche dazu verlaufen schwierig“, räumte ein japanischer Regierungsbeamter ein, der den gestern in Peking eingetroffenen Fukuda bei seinem ersten China-Besuch begleitet.

Bei dem Disput gehe es darum, wem die Inselgruppen gehören, die Japan „Senkaku“ und China „Diaoyu“ nennt. Unter dem Meeresboden werden Gas- und Ölvorräte vermutet, die auf Jahrzehnte den Energiebedarf beider Länder decken könnten. Elf Verhandungsrunden verliefen ergebnislos. Das von Nationalisten auf beiden Seiten hochpolitisierte Thema gilt als letztes großes Hindernis für einen Aufschwung in der politischen Zusammenarbeit der ehemaligen Erzfeinde.

Besitzansprüche ausgeklammert

Nach Informationen aus dem Umfeld des chinesischen Außenministeriums wollen Premier Wen Jibao und Fukuda einem Lösungsmuster folgen, wie es Peking mit Südostasiens Anrainerstaaten im Fall der umstrittenen Inselgruppen im Südchinesischen Meer vereinbarte. Dabei wurde die Klärung der Besitzansprüche auf unbestimmte Zeit ausgeklammert. Verhandelt wird nur noch darum, wie sich die Rohstoffvorkommen gemeinsam erschließen lassen. Ähnliche Vereinbarungen sind auch zwischen Peking und Tokio geplant. Offen war am Donnerstag, ob beide Seiten ihre Absichten schriftlich festlegen oder es bei mündlichen Erklärungen belassen.

Zuerst die Wirtschaft

Peking und Tokio, die Ende November erstmals den Freundschaftsbesuch eines chinesischen Zerstörerschiffs in Japan ermöglichten und 2008 den Gegenbesuch eines japanischen Kriegsschiffs in China vereinbart haben, proben einen neuen Schulterschluss, weil beide einander brauchen. Die politische Erwärmung folgt dabei der Wirtschaft. China konnte 2007 für Japan erstmals als Handelspartner die USA überflügeln. Bis Ende 2007 investierten Japans Unternehmen fast 50 Milliarden Euro in China. Zeitungen nennen Fukudas viertägigen Besuch eine „zweite Normalisierung seit der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1972“.

Die Neuausrichtung der japanischen Außenpolitik begann unter seinem Vorgänger Shinzo Abe. Er brach auf seinem Peking-Besuch Ende 2006 „das Eis“. Premier Wen sorgte bei seiner Gegenvisite in Japan dann „für Tauwetter.“ Die bilateralen Beziehungen waren in den fünf Jahren zuvor unter Premier Junichiro Koizumi auf einen politischen Nullpunkt abgesunken. Koizumi provozierte Peking mit seinen alljährlichen Besuchen des Totenschrein Yasukuni, in dem auch Kriegsverbrechern gedacht wird. Fukuda hatte dagegen noch während seines Wahlkampfes das Reizthema der Vergangenheitsbewältigung entschärft. Er verkündete, als Premier nicht mehr zum Schrein zu pilgern.

Als Sohn von Takeo Fukuda, der 1978 als Premier den Friedens- und Freundschaftsvertrag Japans mit China unterzeichnete, ist Japans Regierungschef dem Reich der Mitte doppelt willkommen. Er trifft heute alle drei Spitzenpolitiker von Premier Wen über Parlamentschef Wu Bangguo bis Staatspräsident Hu Jintao. Dabei geht es auch um den Klimawandel. Japan will nach der Bali-Konferenz eng mit China im Klimaschutz zusammenarbeiten und für Japans Umwelttechnologien neue Märkte öffnen.

Gemeinsame Kultur

Peking rollt für Japans Premier den roten Teppich aus. Seine Rede vor Studenten der Eliteuniversität Beida wird am Freitag landesweit live über das Staatsfernsehen übertragen. Ungewöhnlich ist auch Fukudas Reise zum Konfuziusgeburtsort Qufu. Auf eigenen Wunsch wolle er den chinesischen Weisen würdigen, dessen Lehren sowohl in Japan wie in China wieder Hochkunjunktur haben, heißt es. (Johnny Erling aus Peking, DER STANDARD, Printausgabe 28.12.2007)