
Jonathan Stroud: "Die Fantasy-Tradition ist alt. Es gibt chinesische Fantasy aus dem 14. Jahrhundert."
Im Gespräch mit Sebastian Fasthuber erzählt er über die Mechanismen eines Genres, in dem für Schreibblockaden kein Platz ist.
Wien – Im Gefolge von "Harry Potter" ist in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Fantasyroman-Serien erschienen, viele davon offensichtliche Kopien von Joanne K. Rowlings Erfolg. Ein ganz eigentümliches Werk hat dagegen der englische Autor Jonathan Stroud verfasst.
Stroud stellt in seiner dreiteiligen "Bartimäus"-Saga das Genre auf den Kopf, präsentiert einen Zauberer ohne magische Kräfte, stellt ihm einen Dämonen als Helden gegenüber und lässt seinem Hang zur Satire freien Lauf. Die Bücher haben weltweit eine Millionenauflage erreicht, im deutschsprachigen Raum sind sie besonders beliebt. Kürzlich war Stroud in Wien zu Gast, um hier den "Kinderbuchpreis 2007 der Jury der Jungen Leser" in Empfang zu nehmen.
Stroud (lacht): Stimmt, und ich habe auch schon eine Antwort parat: Weil ich Bücher für den Jungen schreibe, der ich früher war und der immer noch in mir steckt. Konkret hat es sich einfach ergeben. Ich habe Literatur studiert, danach brauchte ich einen Job. Ich landete als Lektor bei einem Kinderbuchverlag und habe mich dort zum zweiten Mal in meinem Leben in Abenteuergeschichten und Fantasy verliebt. Die Bücher sind aber auch für den Mann geschrieben, der ich jetzt bin.
Stroud: Zunächst sollte man die Kids nicht unterschätzen. Ursprünglich waren die "Bartimäus"-Bücher für Kinder ab zwölf Jahren gedacht, jetzt lesen sie auch Achtjährige schon zusammen mit ihren Eltern. Ich glaube, wir erleben derzeit generell eine Renaissance von Büchern, die potenziell alle Altersstufen ansprechen. Machen wir uns nichts vor, das liegt vor allem an "Harry Potter". Andererseits waren Geschichten voller Magie und Fantasie immer schon für alle gedacht. Die Fantasy-Tradition ist sowieso viel älter. Manche glauben ja, sie habe mit Tolkien oder C.S. Lewis begonnen. Es gibt jedoch auch tolle chinesische Fantasy aus dem 14. Jahrhundert.
Stroud: Viele versuchen, "Harry Potter" zu kopieren. Also: Man nimmt einen Magier, einen Konflikt zwischen Gut und Böse – und irgendwann wird Hollywood die Geschichte verfilmen. So läuft es aber nicht. Man muss auch einen guten Stil haben und Originalität. Und diese Dinge lassen sich nicht planen.
Stroud: Nichts gegen Joanne K. Rowling, sie ist gut. Ohne sie würde ich heute gar nicht hier sitzen und über meine Bücher reden. Vor Harry Potter hätte sich keine Zeitung für Kinder-Fantasy-Bücher interessiert. Meine Idee mit Bartimäus war jedoch, alles umzudrehen. Bei mir ist der Dämon der Held, der junge Magier bis zu einem gewissen Grad der Böse. Begonnen habe ich mit der Figur des Dämons Bartimäus. Ich hatte seine Stimme im Ohr. Nach einem Tag am Schreibtisch wusste ich, dass es ein gutes Buch werden würde, auch wenn ich noch keine Ahnung hatte, wo es sich hin entwickeln würde.
Stroud: Am liebsten schreibe ich ohne Vorüberlegung drauf los. An einem gewissen Punkt stoppe ich dann und lege mir einen Plan zurecht. An den ich mich dann aber auch nicht sklavisch halte. Wie es bei Fantasy überhaupt darum geht, eine Balance zu finden. Die Geschichten sollen ernst und ein wenig düster sein, aber es muss auch mal lustig zugehen dürfen. Die meisten Fantasys nehmen sich ein bisschen zu ernst.
Stroud: Es gibt in diesem Geschäft keinen Platz für Schreibblockaden. Wenn ich ein Buch schreibe, dann ist mein Ziel, fünf Seiten pro Tag und 25 Seiten pro Woche zu schaffen. Man muss beim Schreiben einen Fluss finden, die Bücher sollen ja auch so funktionieren, die meisten Fantasy-Leser lesen gern schnell. "Bartimäus" schrieb sich fast von selbst. Mein neues Buch, an dem ich seit einem Jahr arbeite, zieht sich dagegen etwas hin. Es sollte eigentlich längst fertig sein. Ich bekomme schon E-Mails von meinen deutschen Übersetzern, wann sie endlich loslegen können.
Stroud: Kann man so sagen. Ich habe beim Schreiben manchmal die Angst, dass die Atmosphäre kippt, dass die Geschichte zu lustig und satirisch ist. Und nachdem die "Bartimäus"-Saga so ein Erfolg war, stehe ich doch etwas unter Druck. Mit so einer Figur wird man als Autor nicht oft beschenkt.
Stroud: Nein, das Ende des dritten Bandes ist ziemlich definitiv. Ich finde Serien, die zu lange gehen, auch ein wenig verdächtig. Wenn ich weitergeschrieben hätte, wäre das leicht verdientes Geld gewesen, aber ich hätte mich gelangweilt. Vielleicht fällt mir in zehn Jahren wieder was zu Bartimäus ein, aber jetzt muss ich mal was anderes machen.
Stroud: Da ist es momentan sehr still. Das Drehbuch war fertig, fast alles war bereit. Jetzt hapert es plötzlich wieder an der Finanzierung, und es gibt rechtliche Probleme. Ursprünglich hatte Miramax die Rechte gekauft, als es noch zu Disney gehörte. Dann hat sich Harvey Weinstein von Disney getrennt. Die Rechte gehören jetzt irgendwie beiden, ich habe das noch nicht ganz begriffen. Wissen Sie, wenn man mit diesen Firmen zu tun hat und von Beträgen in dreistelliger Millionenhöhe die Rede ist, fühlt man sich als Autor plötzlich sehr klein.