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Leonidas Kavakos (Jahrgang 1967): "Als Dirigent muss man mit dem Orchester in Beziehung treten, sonst erreicht man gar nichts."

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Wien – Leonidas Kavakos kennt die Musik als Solist und auch als Dirigent. "Der Unterschied liegt in der Psychologie. Wenn Solist und Orchester gut kommunizieren, ist das wunderbar. Aber man kann ach ganz in sich selbst eingesponnen hervorragend sein. Als Dirigent muss man aber mit dem Orchester in Beziehung treten, sonst erreicht man gar nichts." Als neuer Chef der Camerata Salzburg trachtet Kavakos, diese Verbindung herzustellen, aber auch jene zu seinen Vorgängern. "Ich möchte die Expressivität und den Klangreichtum von Sándor Végh mit dem Musikpraxiswissen von Roger Norrington verbinden."

Das strikte Nonvibrato-Spiel der Ära Norrington wird Kavakos zwar nicht fortsetzen, doch gibt er dem Briten in einem Punkt recht. "Der Streicherklang leidet heute unter dem Mangel an Ausdrucksfähigkeit durch den Bogen." Zusätzlich zur Klangdifferenzierung am einzelnen Instrument setzt Kavakos auf ein solides Fundament im Orchestersound. "Die tiefen Register müssen die hohen tragen. Das ergibt einen warmen und doch detaillierten Klang."

Aber nicht nur das Klangbild der Camerata, auch das Image des Orchesters soll aufpoliert werden. Das Ensemble müsse sich in Salzburg selbst profilieren: "Ich möchte ein Empfinden dafür wecken, dass ein Kammerorchester als spezifischer Klangkörper unersetzlich und als wesentlicher Teil der europäischen Musiktradition zu fördern ist. Heute sucht man in allem nach praktischen Lösungen. Also reduziert man große Symphonieorchester um ein paar Pulte und lässt sie Mozart spielen. Das können sie auch zweifellos, aber das Kammerorchester als Klangkonzept der Zeit Mozarts darf nicht verschwinden."

Dem zeitgenössischen Repertoire steht Kavakos mit selbstbewusster Skepsis gegenüber. "Zeitgenössisches muss für mich immer auch Verbindung zur Vergangenheit haben. Die Ästhetik heute ist voller Lärm. Vieles der zeitgenössischen Musik reflektiert das. Vielleicht mit ein Grund, warum das Publikum Neues manchmal ablehnt. Den Instinkt des Publikums kann man nicht täuschen." Ein Komponist, der seine Wurzeln anklingen lässt, sei Henri Dutilleux. "Man versteht schnell, dass er Franzose ist. Seine Orchestrierung hat Magie, man kann den Weg von Ravel bis zur Gegenwart verfolgen."

Die musikalische Vergangenheit von Leonidas Kavakos? Sowohl Großvater als auch Vater spielten Geige. Die erste eigene Violine war ein Weihnachtsgeschenk und dann liebstes Spielzeug des Fünfjährigen. Der erste Lehrer war der Vater. Er verlangte allerdings viel – manchmal zu viel. Fast wäre Kavakos doch Basketballspieler geworden.

"Aber ich hatte auch einen zweiten Lehrer, der ein toller Pädagoge war. Er sagte manchmal: 'Es macht nichts, wenn du unsauber spielst, spiel einfach.' Das hat mir extrem geholfen." Heute lebt Kavakos seine Leidenschaft für Musik als Solist, als Dirigent und auch als Leiter eines Kammermusikfestivals in Athen aus.

"Kammermusik – Streichquartett und Lieder nehme ich davon aus – wurde jahrelang falsch verkauft. Sie ist kein Stiefkind im Vergleich zum symphonischen Repertoire." Die Konzerte des Winterfestivals sind seit 15 Jahren ausverkauft. "Kammermusik hat auch eine soziale Botschaft. Jeder will heute der Chef sein. Das geht aber in der Kammermusik nicht." (Petra Haiderer / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.12.2007)