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Im Gehirn eingepflanzte Elektroden, Hirnschrittmacher mit Medikamentendepot, Warnsysteme vor einem drohenden Anfall: Wissenschaftler rund um den Globus beschäftigen sich mit Methoden und Apparaten, um Epileptikern das Leben zu erleichtern.

Foto: APA/AP/David J. Phillip

Epileptiker wurden in den vergangenen Jahrhunderten oft stigmatisiert und als Geisteskranke diffamiert. Während sie in der Antike häufig als Heilige verehrt wurden, weil sie leicht in Trance fielen, verfolgte die Kirche im Mittelalter die von "Dämonen Besessenen". Viele berühmte Persönlichkeiten litten unter epileptischen Anfällen – Aristoteles, Cäsar, van Gogh, Alexander der Große, Napoleon, Lenin und Alfred Nobel. Mit Pius IX. schaffte es einer der "Besessenen" sogar auf den Papstthron.

Soziale Konsequenzen

Epileptiker gelten heute als chronisch krank, dürfen wegen der Unvorhersehbarkeit eines Anfalls kein Auto fahren und bestimmte berufliche Tätigkeiten nicht ausführen. Viele ziehen sich aus dem sozialen Leben zurück, leiden unter Depressionen und Suizidgedanken, berichtet die "Interessenvereinigung für Anfallskranke" in Köln. Rund 600.000 Menschen in Deutschland und 65.000 in Österreich leiden an dieser Fehlfunktion von Nervenzellen im Gehirn. Epilepsie gilt als die häufigste chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems.

Bei jedem Zehnten vererbt

Ursache einer Epilepsie sind Schädigungen des Gehirngewebes durch Verletzungen, Entzündungen, Blutungen, Tumore oder Sauerstoffmangel. Bei etwa jedem zehnten Epileptiker wird die Bereitschaft zu solchen Anfällen vererbt. So verschieden wie die Art der Anfälle sind auch die Auslöser. Meist sind Erregungszustände verantwortlich für eine Attacke.

Bei etwa jedem Dritten kann die Erkrankung mit Medikamenten bisher nicht kontrolliert werden.

Arbeit an Frühwarnsystem

Mit Hochdruck arbeiten deshalb Wissenschafter in der ganzen Welt an einem Gerät zum rechtzeitigen Vorhersagen eines Anfalls. Das Epilepsiezentrum in Freiburg beteiligt sich laut dem Leiterndreas Schulze-Bonhage an einer multidisziplinären Studie, das in etwa zwei bis drei Jahren eine Anfallvorhersage ermöglichen soll. Ab Ende 2010 wird es voraussichtlich im klinischen Alltag getestet, sagt Schulze-Bonhage. Auf den Zeitpunkt, wann das Verfahren für Jedermann anwendbar ist, will sich Schulze-Bonhage noch nicht festlegen.

Zu oft Fehlalarm

In Freiburg werden derzeit die Gehirnströme von Epileptikern mit einem Elektroenzephalogramm (EEG) über einen längeren Zeitraum aufgezeichnet, um das Nahen eines Anfalls vorherzusagen. Dazu werden mathematische Verfahren der Zeitreihenanalyse genutzt. "Bisher gibt es aber noch zu viele Fehlalarme", sagt Andreas Schulze-Bonhage, Leiter des Epilepsiezentrums des Uniklinikums Freiburg.

Alternativen

Denkbar ist es, die Elektroden in den Kopf einzupflanzen, um dem Patienten den Beginn eines Anfalls zu signalisieren. Er kann sich dann zurückziehen und vor Verletzungen schützen.

Die Wissenschafter mehrerer europäischer Kliniken forschen aber auch an einem geschlossenen System, das vor einem Anfall ohne Zutun des Menschen Medikamente freisetzt oder das Gehirn wie bei einem Herzschrittmacher zur Abwendung des Anfalls stimuliert. (APA)