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Man möge mich bitte nicht falsch verstehen, aber irgendwie finde ich es schade, dass die Watsche (hochdeutsch auch Ohrfeige genannt) unter Erwachsenen so aus der Mode gekommen ist. Nehmen Sie zum Beispiel die Burgschauspielerin Käthe Dorsch, deren Geburtstag sich am 29. Dezember zum 117. Mal jährt, und die mir schon allein deshalb sympathisch ist, weil sie dem Theaterkritiker Hans Weigel im April 1956 auf offener Straße eine "schmierte", wie wir Oberösterreicher in solchen Fällen zu sagen pflegen. Ort des Geschehens war die Museumstraße Nr. 6 vor dem Café Raimund im 1. Bezirk in Wien, wo sich Weigels Hauptquartier befand und wo er – so will es die Fama – Ingeborg Bachmann und andere aufstrebende Schriftstellerinnen entdeckt haben will. Im sogenannten "Watschenprozess", der kurz darauf stattfand, begründete Dorsch ihre Handgreiflichkeiten damit, dass sie der Kritiker Weigel, den sie als "Dreckskerl" bezeichnete, ständig beleidigt habe und sie sich das nicht mehr gefallen lassen wollte.

Im Gerichtssaal muss es dann ziemlich turbulent zugegangen sein, denn neben Josef Meinrad, Albin Skoda und Alma Seidler sagte auch der 70-jährige Schauspieler Raoul Aslan aus, der überhaupt gleich die Todesstrafe für Weigel forderte und von diesem daraufhin als Nazi beschimpft wurde. Nicht genug damit, bezeichnete Weigel die Schauspieler Meinrad und Skoda – der nichts mit der Automarke zu tun hat – als Kollaboteure der Sowjetunion, weil diese in Produktionen im Dunstkreis der KPÖ bzw. der von den Sowjets kontrollierten Rosenhügel-Filmstudios aufgetreten waren. Auch wenn Dorsch am Ende des Prozesses zu einer Geldstrafe von 500 Schilling (ca. 37 Euro) verurteilt wurde, verließ sie den Gerichtssaal als moralische Siegerin, weil sie dem bei vielen Künstlern nicht sehr beliebten Hans Weigel endlich eine ordentliche "Fotzen" gegeben hatte. (Zur Klarstellung: Laut dem "Wiener Dialekt Lexikon" von Wolfgang Teuschl bedeutet "Fotzen" nichts anderes als "Ohrfeige". Nachzulesen auf Seite 100.)

Dieser Exkurs in die Geschichte soll aber bitte nicht so verstanden werden, dass jetzt sämtliche Burg- und sonstigen Schauspieler die Wiener Kaffeehäuser abklappern und irgendwelchen Kritikern eine runterhauen sollen. Erstens sitzen Kritiker heutzutage nicht mehr im Kaffeehaus, und zweitens sind diese mit ihrem Beruf ohnehin schon genug gestraft, denn wie heißt es bei Egon Friedell so schön: "Von allen Theaterberufen ist der des Kritikers der schrecklichste."

Damit diese Kolumne zum Jahresausklang aber doch noch versöhnlich endet, hier das Ergebnis einer Studie, die all jene freuen wird, die gerne Bussis geben: Wie Wissenschafter herausgefunden haben, werden durch Händeschütteln wesentlich mehr Bakterien übertragen als durch einen Kuss auf die Wange. Ich persönlich bin ja mehr fürs Schmusen als fürs Bussi-Bussi-Geben, aber da ich Sie ja nicht alle abschmusen kann (was ich und Sie ja ohnehin nicht wollen), schicke ich Ihnen einfach ein Luftbussi. (Kurt Palm, DER STANDARD/Printausgabe, 29./30.12.2007)