Was aussieht wie das Filmsetting zu "Star Wars",...

...wird bald Realität sein: Penang Global City Center in Malaysia, Fertigstellung 2012.

2009 wird dafür bereits der Luxury Residential Tower in Abu Dhabi eröffnen: glatt zurechtgeschleckt und mit Hubschrauberlandeplatz für die Superreichen.
(Fotos: asymptote)

Wer sein Architekturbüro nach einer mathematischen Kurve benennt, der hat sich schon etwas dabei gedacht. Gemeinsam mit seiner Frau Lise Anne Couture betreibt der gebürtige Ägypter Hani Rashid in New York das Büro asymptote. Bei den Gymnasiasten klingelt's: Eine Asymptote ist eine geometrische Kurve, die sich einer anderen Kurve zwar annähert, diese aber niemals erreicht – ein unbefriedigendes Unterfangen also. Doch Hani Rashid hat eine Erklärung parat: "Es geht um die Sehnsucht. Man kann sich der Sehnsucht nur annähern, man kann sie aber niemals ergreifen. Das wäre ihr Ende." Rashid schmunzelt. "Aber ich gebe zu, für ein Architekturbüro ist der Name asymptote durchaus problematisch. Kein Mensch weiß, was das ist, kein Mensch weiß, wie man das richtig ausspricht."

Rashid (50) und Couture (49) haben mit ihrem Büro einen gewaltigen Start hingelegt. Noch bevor sie ein einziges Bauwerk gebaut haben, war asymptote in aller Munde. Weltweit. Bis heute hält sich die Anzahl der Realisierungen – um es gelinde auszudrücken – in Grenzen, und doch geht das Büro mitsamt seinen 40 Mitarbeitern regelrecht in Arbeit unter. Das Geheimnis des Nichtbauens?

STANDARD: In den meisten Fällen bauen Architekten bis zum Umfallen, und wenn sie Glück haben, werden sie eines Tages berühmt. Bei Ihnen ist das anders: Sie sind weltberühmt geworden, bevor Sie noch etwas realisiert haben. Wie geht das?

Hani Rashid: Wir haben uns nie als Dienstleister gesehen. Wir sind Träumer, wir sehnen uns nach neuen Technologien, nach Experimenten, wir sehnen uns nach innovativer und zukunftsweisender Architektur. Selbst wenn wir bis jetzt nur ganz wenig gebaut haben, schätzen uns die Leute wohl für unsere Zielstrebigkeit, mit der wir unsere Ziele verfolgen. Hinter jedem Projekt, das wir machen, steckt eine fundierte Theorie und eine mühsam erarbeitete Überzeugung. Wenn wir etwas machen, dann mit 100 Prozent. Und wenn die Umstände nicht passen, dann kommt es eben auch nicht zur Realisierung. Darauf bin ich stolz.

STANDARD: Das klingt ganz so, als hätten Sie freiwillig beschlossen, so wenig zu bauen. Glaube ich Ihnen nicht!

Rashid: Louis Kahn hat einmal den schönen Satz von sich gegeben: Gute Architekten fangen nicht an zu bauen, ehe sie 50 sind. Als ich diesen Satz das erste Mal hörte, war ich 26, Panik hat mich überkommen! In Europa ist das ganz anders. Europa ist dafür bekannt, dass die Architekten hier schon in ihren Zwanzigern ein Haus nach dem anderen bauen. Das ist zwar einerseits beachtlich, andererseits ist das ein sehr riskantes Geschäft. Denn sie fangen an zu bauen, obwohl sie eigentlich nie genügend Zeit hatten, sich mit der Materie ernsthaft auseinanderzusetzen. Wo bleibt da die individuelle Forschung, wo bleibt das virtuelle Abenteuer, wo bleibt das theoretische Unterfutter, das sich jeder Architekt einmal aneignen muss? Das, was all diese jungen und unerfahrenen Menschen bauen, sieht zwar aus wie Architektur, ist es aber nicht.

STANDARD: Wie lange muss ein Architekt denn reifen?

Rashid: Wir haben unser erstes architektonisches Projekt erst vor fünf Jahren realisiert, und zwar den Hydra-Pier in Holland. In den Jahren davor haben wir geforscht und studiert. Ganz so wie ein Pianist – der setzt sich ja auch nicht gleich auf die Bühne und spielt vom Blatt. Zuerst einmal verbringt er viele Jahre damit, Klänge und Proportionen einzustudieren, erst dann ist er reif für die Bühne. Und wissen Sie was? Er wird richtig gut sein.

STANDARD: Das heißt: Wer eines Tages ein guter Architekt sein will, der muss erst einmal jahrelang nur virtuelle Architektur produzieren und Renderings zeichnen?

Rashid: Es ist erstaunlich, wie sich unterschiedliche Begriffe und Berufe im Laufe der Zeit ändern. In alten Tagen war nur der ein Architekt und Baumeister, der auch wirklich gebaut hat. Ich bin davon überzeugt, dass man heute nicht mehr unbedingt bauen muss, um sich als Architekt bezeichnen zu dürfen. Architekt wird man, wenn man imstande ist, virtuell und räumlich zu denken, und wenn dieses Denken über alles Bekannte hinausgeht. Architektur ist eine Kunstform und eine eigene Wissenschaft geworden. Virtuelles Entwerfen, also die Arbeit am Computer und im World Wide Web, ist zu einem essenziellen Bestandteil unserer Arbeit geworden. Einerseits ist sie ein eigenständiger Arbeitsbereich, andererseits ist sie eine gute Übungsarbeit, um später im realen Raum zu bauen.

STANDARD: Würden Sie Ihre Herangehensweise an Architektur als avantgardistisch bezeichnen?

Rashid: Die wirklichen Avantgardisten wussten nie, dass sie Avantgardisten sind. Was soll ich Ihnen sagen? Wir versuchen, an vorderster Front mitzumischen und immer einen Schritt voraus zu sein. Ich weiß nicht, ob uns das gelingt.

STANDARD: Ich bin wohl begriffsstutzig. Wie kann man an vorderster Front sein, wenn man kaum etwas gebaut hat?

Rashid: Wie ich schon gesagt habe: Architektur wird oft mit Bauen verwechselt. Die Praxis im Bauen hat meiner Erfahrung nach nichts mit der Praxis im räumlichen Denken zu tun. Unser intensiver Reifeprozess der letzten Jahre scheint nun jedenfalls zu fruchten. Zur Zeit arbeiten wir an einigen Projekten, die in den nächsten Jahren fertiggestellt werden. In Budapest befindet sich ein Bürohaus in Bau, in Abu Dhabi bauen wir gerade einen Luxus-Wohnturm, der ähnlich wie das Burj al Arab auf einer künstlichen Insel steht. Beide Projekte werden 2009 fertiggestellt. Doch die richtig großen Projekte dauern noch ein paar Jahre. In Asien entstehen gleich zwei Projekte von wahrlich städtischen Ausmaßen. In Busan in Südkorea werden wir das World Business Center bauen, in Penang in Malaysia das sogenannte Global City Center.

STANDARD: Das Global City Center Penang ist das größte und aufregendste Projekt in Ihrer bisherigen Firmengeschichte.

Rashid: Es ist sicherlich eines der aufregendsten – sagen wir es mal so. Penang ist im Norden von Malaysia und gilt als Tor zu einer sehr hoch entwickelten und wirtschaftlich starken Region. Das Global City Center ist eine Initiative der Regierung und soll die sogenannte Northern Corridor Economic Region aufwerten. Um diesen Umstand sichtbar zu machen, braucht es dort ein starkes Zeichen. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, vor dem Hintergrund der natürlich belassenen Landschaft eine dichte, urbane Architektur zu machen. Das ist ein sehr spannender Kontrast. Das Projekt umfasst ein Einkaufszentrum, ein Convention Center, ein Museum sowie Wohnungen, Büros und Hotels.

STANDARD: Das Gebäude sieht aus wie in "Star Wars".

Rashid: Durch die beiden Türme – und die haben immerhin 60 Stockwerke – wird das Projekt sehr zeichenhaft. Das Design ist inspiriert von der umgebenden Landschaft, von den Bergen und vom Meer, aber auch von der kulturellen Vielfalt in dieser Gegend. Dennoch möchte ich betonen, dass es sich dabei vor allem um ein technologisch innovatives Projekt handelt. Das Gebäude wird über eingebaute Windräder verfügen, es wird eine Hochleistungsfassade mit integrierten Fotovoltaik-Zellen geben sowie ein umfangreiches Sturmwasser-Management und ein Wasser-Recycling-Programm.

STANDARD: Ein riesiges Bauvorhaben. Wie wollen Sie das mit Ihrer bisherigen Praxiserfahrung bewältigen?

Rashid: Ja, das stimmt. Das Global City Center ist sehr umfangreich. Aber wir haben genug Zeit gehabt, um heranzureifen und um uns die Basis für ein Projekt in diesen Ausmaßen anzueignen. Ich sehe dem also gelassen entgegen. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29./30.12.2007)