Wien – So schlecht kann die Nationalmannschaft gar nicht spielen, dass sie nicht kommen, all die Präsidenten, Minister und Bürgermeister: "Die Ehrentribüne ist immer bummvoll", sagt Franz Wohlfahrt, erst recht bei Ereignissen wie der nahenden Fußball-Europameisterschaft. Mit Sportbegeisterung habe das nur in zweiter Linie zu tun, meint der ehemalige Teamtorhüter: „Den Politikern geht es um ihr Marketing.“

Anhänger und Adabeis

Alle über einen Kamm scheren will Wohlfahrt nicht. Im Laufe seiner Karriere habe er auch Politiker wie Franz Vranitzky, Rudolf Edlinger oder Michael Häupl getroffen, die wirklich „Fanatiker“ seien. „Aber ich glaube nicht, dass ein Jörg Haider viel mit Fußball am Hut hat“, sagt Wohlfahrt: „Wenn das Fernsehen jedoch ein wichtiges Match in Kärnten überträgt, steht er beim Anstoß am Feld.“ Wohlfahrt muss es wissen: Nach Ende seiner Fußballer-Laufbahn selbst im Marketinggeschäft tätig, unterhielt der Kärntner politische Verbindungen zur Haider-Partei. Auf Betreiben der damals noch ungeteilten FPÖ saß Wohlfahrt vorübergehend im ORF-Publikumsrat. „Aber Politik interessiert mich nicht“, sagt er heute: „Politiker müssen verdorben sein. Sie müssen lachen, wenn’s nix zu lachen gibt.“ Oder eben jubeln, auch wenn es einen persönlich gar nicht interessiert. Das Fußball-Stadion sei für solche Auftritte, Niederlagen hin, Debakel her, nach wie vor eine enorm breitenwirksame Bühne, sagt Wohlfahrt: „Die heutigen Politiker haben das besonders nötig. Die meisten kennt ja kein Mensch.“

Natürlich gebe es Politiker, die sich bei einem großen Event in Szene setzten, „dann aber nie mehr blicken lassen“, erzählt auch Ex-Teamchef Herbert Prohaska: „In Summe habe ich aber keine schlechten Erfahrungen gemacht. Die meisten, die ich kennengelernt habe, haben sich wirklich interessiert. Wie der Charly Blecha bei der Austria oder der Anton Benya bei Rapid.“ Den Andrang auf der VIP-Tribüne hält die Austria-Ikone für „nur normal“, weniger gut fände er, wenn Politiker beim Training auftauchten oder nach einem Sieg gar an der Spielerkabinentür klopften: „Das wär dann populistisch.“ Aber weder Prohaska noch der jüngere Wohlfahrt können sich an einen derartigen Fall erinnern: „In die Kabine darf höchstens der ORF. Und auch den haben wir nicht immer reingelassen.“ Ein einziges Mal ließ sich Prohaska für politische Werbung einspannen: „Vor der Weltmeisterschaft 1978 haben unser Trainer Helmut Senekowitsch, der Hans Krankl und ich für die Stadt Wien mit Bürgermeister Leopold Gratz posiert.“ Sämtliche Anfragen seither schmetterte der heutige ORF-Studioexperte konsequent ab. Welche Parteien ihr Glück versucht haben? „Eh alle, glaub ich.“

Lockende Parteien

Nicht zu verhindern sei, dass sich Politiker bei diversen Anlässen auf gemeinsame Fotos schummeln. „Die machen das natürlich gerne. Aber ich finde das nicht befremdend“, sagt Prohaska: „Obwohl es schon welche gibt, mit denen ich auf kein Bild will.“ Wen? „Keine Namen! Ich bin kein böser Mensch.“ „Keine Berührungsängste“ vor den Kameras hat hingegen Hans Krankl. Dass manche Volksvertreter „immer ins Rampenlicht drängen, wenn was Großes passiert“, sieht er entspannt: „So sind sie eben.“ Wie sein violettes Pendant Prohaska verweigert auch der Ur-Rapidler Auftritte in politischen Kampagnen, trägt aber zur Ehrenrettung der Volksvertreter bei. „Persönlich und privat sind sie allesamt sympathischer, als sie im Fernsehen wirken“, sagt Krankl: "Der Gusenbauer, der Schüssel – oder auch der Häupl. Und der ist Austrianer." (Gerald John/DER STANDARD, Printausgabe, 29.12.2007)