Lustig war es, als Bundeskanzler Alfred Gusenbauer in Brüssel EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso versehentlich als "Barolo" titulierte. Da war der Kanzler gedanklich offensichtlich mehr in seinem Weinkeller als bei der Sache. Sonst war das Jahr 2007 für die meisten Bürger, politisch gesehen, aber ein Ärgernis. Wenn auch aus journalistischer Sicht sehr ergiebig: Streit, Zank, Intrigen und Eifersüchteleien.

Der Wahlkampf aus dem Jahr 2006 war nur kurz durch die Regierungsverhandlungen unterbrochen worden und setzte sich nach der Angelobung der neuen Regierung nahezu ungebremst fort.

Alfred Gusenbauer war endlich Bundeskanzler, aber viele Beobachter mutmaßten, dass sein Vorgänger Wolfgang Schüssel weiterhin die Fäden in der Hand hielt. Diese Vermutung darf bis heute aufrechterhalten werden, aber sie belastet nicht nur Gusenbauer, sondern auch Vizekanzler Wilhelm Molterer, der ja rein formell auch ÖVP-Chef ist.

Schüssels Einfluss manifestierte sich in der von ihm verhandelten Ressortverteilung, bei der die SPÖ recht geräuschvoll über den Tisch gezogen wurde, und im Koalitionsübereinkommen, das die SPÖ dazu zwang, ihre wesentlichen Wahlversprechen zu brechen. Als Folge des engen, von Schüssel diktierten Regierungsabkommens konnte die SPÖ auch kaum eines ihrer Herzensanliegen durchsetzen. Die auf ein Modellversüchlein reduzierte Gesamtschule kann als Beispiel dafür genommen werden. Alles um den Preis, den Kanzler stellen zu können. Da hatte Gusenbauer bei den Verhandlungen mehr Illusionen als Weitblick.

Nüchtern betrachtet lässt sich zu Jahresende aber feststellen, dass die gebrochenen Wahlversprechen heute kaum noch Thema sind und dass es Gusenbauer gelungen ist, wenigstens die Kernschicht der SPÖ-Wähler wieder an sich oder die Partei zu binden: Der Kanzler hat mit seinem Leibthema, der sozialen Gerechtigkeit, gepunktet - und sich damit von der ÖVP abgegrenzt.

Die ÖVP präsentierte sich als das, was sie immer schon war, als brave und wertkonservative Familienpartei, da hat auch Schüssel ein Auge drauf. Neu waren die Personalaufstellung und der Schwung, den Molterer hineinzubringen versuchte: Andrea Kdolsky war der bunte Anstrich. Aber der Lack bröckelte rasch ab. Wirkte die Familienministerin anfangs noch frisch, wird sie heute als nervende Csárdás-fürstin wahrgenommen.

Konsequent blieb die ÖVP in der Ausländerpolitik. Nämlich hart. Das hat sein Publikum, und wer in einem konservativen Heimatbegriff verhaftet ist, trennt eben in Inländer und Ausländer. Wohl wissend, wie schwer sich die SPÖ mit dem Thema tut.

Dieser gelang hier nämlich überhaupt keine Abgrenzung. Der Bundeskanzler behauptete zwar einmal, er fände die Härtefälle "grauslich", als aber Innenminister Günther Platter seinen "Keine Gnade"-Bescheid für die 15-jährige Arigona Zogaj in Oberösterreich verkündete, da zuckte Gusenbauer nur bedauernd mit den Schultern: Da kann man halt nichts machen.

Natürlich könnte man etwas machen, und es läge am Kanzler, das auch zu tun. Man kann Arigona als das sehen, was sie ist: eine Österreicherin, eine Oberösterreicherin mit serbischem Pass. Ehemals im Kosovo zuhause, jetzt aber in Frankenburg daheim.

Da die potenziellen SPÖ-Wähler in dieser Frage aber ähnlich gespalten sind wie das Publikum der Kronen Zeitung, lässt Gusenbauer lieber die Finger davon. Anstatt sich am Krone-Chef ein Beispiel zu nehmen, der hier zu einem christlichen Handeln aufruft - was auch für die ÖVP ein hilfreicher Hinweis sein sollte.

Aber Arigona ist nur ein Fall und entscheidet keine Wahlen, auch wenn das Mädchen in beachtlichem Ausmaß die Politik der vergangenen Monate beherrscht hat.

Für das nächste Jahr muss man sich auf eine Fortführung des koalitionären Wahlkampfes einstellen, unterbrochen von einem Monat Fußball-EM. Aber auch da wird auf der Ehrentribüne im Stadion heftig gegrätscht und gegenseitig an den Leiberln gezerrt werden. (Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 29./30.12.2007)