Wo sind Sie über die Feiertage gewesen? Seychellen? Malediven? Antigua? Auf Kultur- und Badetrip in Ägypten? (Beiseite gefegt von den Security-Burschen von Sarkozy und Carla Bruni?) Oder in Fernost wie der Bundeskanzler?

Die heimischen Skiorte sind ausgebucht, aber jede Menge Österreicher flieht aus dem Nebel und der Kälte weit, weit weg (manche flohen auch vor dem Weihnachtsterror). Jeder darf das. Nur der Bundeskanzler nicht. ÖVP-Parteisekretär Missethon warf Gusenbauer vor, er reise mit seiner Familie nach Vietnam. "Da wird er auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad spazieren und die kulinarischen Köstlichkeiten genießen", höhnte er. Etwas Schlimmeres gibt es für den ÖVP-Mann aus Leoben offenbar nicht.

Das ist nicht nur ein Problem der ÖVP, die sich einen besonders provinziellen Parteisekretär ausgesucht hat. Es ist ein Problem der politischen Kultur insgesamt. Heimische Politiker überlegen es sich dreimal, ehe sie auf die (im Übrigen ziemlich überflüssigen) Umfragen, wo man urlaubt, zur Antwort geben: im Ausland.

Patriotismus hat anscheinend auch im Privatleben stattzufinden - genauso; wie es eine Zeitlang üblich war, auf die Frage nach dem Lieblingsgetränk mit "Weißer G'spritzter" und der Lieblingsspeise mit "Geröstete Knödel mit Ei" zu antworten, obwohl die Vorlieben eher im höheren Level lagen. Österreich ist schön, aber wettermäßig nicht gerade sicher; und wenn man nicht in den Regen des Salzkammerguts verliebt ist (wie z. B. Wolfgang Schüssel), dann sollte es das gute Recht auch eines Politikers sein, den ohnehin knapp bemessenen Urlaub in einer warmen Gegend zu verbringen.

Ist es aber nicht. Oder ist es nicht mehr. Bruno Kreisky war so souverän (und beliebt), dass er mit der Aussage "Kärnten is' ma z'teuer" nach Mallorca entfleuchen konnte. (In Wahrheit war Kärnten von seinen Urlaubsplänen gestrichen, seit er dort anlässlich der Ortstafeln von einem entfesselten Mob als "Saujud" beschimpft worden war; das ist übrigens über 30 Jahre her. Die Ortstafeln sind immer noch ein Problem.)

Dieser Pseudo-Zwang für Politiker, den Urlaub zuhause verbringen zu müssen und exotische Kost nicht schätzen zu dürfen, ist ein Symbol für die verkehrte Welt der politischen Zwänge: Hunderttausende Österreicher unternehmen Fernreisen und essen auch zu Hause exotische Kost, aber der Kanzler darf nicht nach Vietnam. Die ÖVP verstärkt dadurch den Verdacht, dass für sie alles Fremde, Weltoffene, meinetwegen auch Genussbetonte unheimlich und irgendwie unösterreichisch ist. Der Kanzler mag der "First Bobo" ("bourgeois bohemian") des Landes sein, aber Bobos inzwischen viele, und sie sind deswegen keine schlechteren Patrioten und Leistungsträger.

Auslandserfahrung wird für die jüngere Generation ein wichtiges Kriterium im Wettbewerb und für die Karriere sein, ist es längst. Sie sollte so viel wie möglich reisen und kann trotzdem die "Heimat" schätzen. Kürzlich wurde ich von einem Leser wegen der Verwendung des Begriffs "soft power", eines fixen Bestandteils der internationalen politischen Debatte, kritisiert. Er stellte sich im Übrigen als Englischlehrer vor. Eine andere Englischlehrerin aus meinem weiteren Bekanntenkreis wird demnächst, mit 40, das erste Mal in ein englischsprachiges Land fahren.

Österreich liegt nicht besonders gut bei der Zahl der Studenten, die für einige Zeit ins Ausland gehen. Auf besonders wenig Interesse stoßen die sogenannten Oststaaten, obwohl dort gerade für qualifizierte Österreicher die Arbeitsplätze liegen. Da können wir Bleib-daheim-Populismus nicht brauchen. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 29./30.12.2007)