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Zu Neujahr präsentiert sich Garmischs freischwingender Stolz, kürzlich eingeweiht, schon gänzlich verkleidet.

Foto:Reuters/Dalder
Oberstdorf - "Die Anlage ist optisch einzigartig, vom Schnitt her traumhaft schön." Aus Anton Innauer spricht der Ästhet, wenn Österreichs nordischer Direktor vom Bauwerk schwärmt, das die deutschen Skispringer stolz den "olympischen Freischwinger" nennen.

Seit 28. November steht in Garmisch also der neue, das Skisprungstadion überragende 38 Meter hohe Sprungturm. 14,5 Millionen Euro (statt der geplanten zehn Millionen) hat der aus 655 Tonnen Stahl errichtete und mit 2400 Quadratmetern "transluzenten" Polycarbonat-Platten verkleidete Schönling gekostet. Er bildet laut offizieller Lobpreisung "zusammen mit dem bogenförmigen Aufsprungbauwerk eine dynamische Großskulptur, als Symbol für die beim Skisprung zu überwindende Gravitation".

Am 14. April war der 1950 errichtete Stahlturm der alten Olympiaschanze unter Anteilnahme von 6000 Zusehern gesprengt worden. Um Platz zu schaffen für den neuen, der auch Münchens Olympiabewerbung für 2018 schmücken soll. Bis dahin wird wohl auch der Einbau eines Aufzugs glücken. Für die aktuelle Tournee muss es noch die sogenannte "Himmelsleiter" tun, deren 272 Stufen die Springer zu erklimmen haben.

Aus österreichischer Sicht mag das der einzige Schönheitsfehler sein. Dass die meisten Tourneeteilnehmer nur drei Sprünge (zwei im Training, einen in der Qualifikation) haben, um sich mit der neuen Olympiaschanze anzufreunden, sieht ÖSV-Chefcoach Alexander Pointner gar als Vorteil für seine Athleten. "Von mir aus bräuchten wir diese drei Sprünge nicht. Die neue Schanze ist eher eine zusätzliche Motivation."

Zur Untermauerung seiner These führt Pointner gerne das Saisonauftaktspringen im finnischen Kuusamo an. "Auf neuen Schanzen springe ich immer am besten", hatte Thomas Morgenstern gesagt, nachdem dort kurzerhand der Schanzentisch abgeschnitten worden war, um der Weitenjagd der Österreicher einigermaßen Herr zu werden. Morgenstern siegte dann solo.

Allerdings erscheinen neue Schanzen heutzutage insofern nicht ganz so neu, als sie allesamt recht identische Voraussetzungen für die Springer bieten. Innauer vergleicht den Garmischer Bakken mit jenem im Pragelato "und anderen Anlagen, die für Sprünge auf rund 140 Meter ausgelegt sind". Den Charakter einer Schanze mache ihr Standort aus. "Wann welche Witterungsbedingungen vor Ort herrschen - das ist entscheidend", sagt Pointner.

Für eine irreguläre Konkurrenz wie am 1. Jänner 2007, als der Schweizer Andreas Küttel in Garmisch einen Abbruchsieg feierte, könnte die neue Schanze also nicht verantwortlich gemacht werden. (Sigi Lützow, DER STANDARD Printausgabe 31.12.2007)