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Bilawal Bhutto (19) ist neuer Vorsitzender der pakistanischen Volkspartei.

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Mit dem Tod seiner Mutter Benazir hat für Bilawal Bhutto jäh der Ernst des Lebens begonnen. Leibwächter werden zu seinem Alltag gehören, und die Gefahr von Anschlägen wird ihn stets begleiten. Der 19-Jährige ist gerade zum Vorsitzenden von Pakistans größter Partei PPP gekürt worden. "Bhuttos sterben jung", sagt man in Pakistan. Nicht nur seine Mutter, auch seine beiden Onkel wurden ermordet. Sein Großvater, der frühere Premier Zulfikar Ali Bhutto, wurde 1979 gehenkt. Die Bhuttos gehören ähnlich wie die Gandhis zu den großen Politiker-Dynastien Südasiens.

Der schlanke, hochgewachsene Teenager mit der modischen Brille, der 1988 geboren wurde, galt lange als schüchterner Bücherwurm, seine Mutter verordnete ihm eine klassische Erziehung. Wie sie und sein Großvater studiert er (seit 2007) an der britischen Eliteschmiede Oxford. Er hat den schwarzen Gürtel in der Kampfsportart Taekwondo und ist ein begeisterter Reiter und Sportschütze. Politische Ambitionen hegte er bisher nicht. "Man wird sehen. Ich weiß es nicht", antwortete er vor drei Jahren auf die Frage, ob er in die Politik einsteigen werde. Nun wurde ihm die Entscheidung abgenommen. Zwar ist er offiziell Parteivorsitzender, aber vorerst nur auf dem Papier. Zunächst will Bilawal sein Studium der Geschichte und Politik abschließen, bevor er das politische Erbe seiner Mutter antritt.

Bis dahin wird sein Vater Asif Ali Zardari als Co-Vorsitzender die Parteigeschäfte managen.Über Nacht ist der 51-Jährige damit zu einem der mächtigsten Männer Pakistans aufgestiegen, neben Präsident Pervez Musharraf und Armeechef Ashfaq Parvez Kayani. Angeblich hatte Benazir in ihrem "Vermächtnis" gewünscht, dass Zardari selbst den Vorsitz der PPP übernimmt. Dass der Witwer seinen Sohn vorschickt, ist ein taktischer Schachzug.

Unbeschriebenes Blatt

Zardari gilt nicht unbedingt als Sympathieträger im Volk. Als großspurig, geldgierig und skrupellos beschreiben ihn seine Gegner. Vielen gilt er als einer der korruptesten Politiker, die Pakistan in seiner 60-jährigen Geschichte erlebte.

Schamlos soll er während Benazir Bhuttos Regierungszeiten Schmiergelder eingestrichen haben. Mit Plastiksäcken voller Dollarnoten mussten Geschäftsleute angeblich bei ihm anrücken. "Mister zehn Prozent" nannten ihn die Pakistanis, später sogar "Mister zwanzig Prozent". Sein übler Leumund hält ihn davon ab, bei den Wahlen selbst in den Ring zu stiegen. Bilawal ist dagegen ein unbeschriebenes Blatt. Die Parteioberen werden den Neuling erst allmählich in die hohe - manche sagen: schwarze - Kunst pakistanischer Politik einweihen. Und er muss seine Heimat kennenlernen, die ihm weitgehend fremd ist. Denn die meiste Zeit lebte er mit seiner Mutter im Exil, vor allem in Dubai und in London. (Christine Möllhoff/DER STANDARD, Printausgabe, 2.1.2008)