Ein Rundruf zeigt: Nützen werden die neue Freiheit vor allem die großen Lebensmittelketten und Einkaufszentren.

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Wien – "Es gibt den ZiB-1-Effekt. Spätestens um 19.30 Uhr sind alle daheim." Das ist auch der Grund, warum die SCS in Vösendorf, Österreichs größtes Shopping-Center, die seit Mittwoch auf 72 Wochenstunden verlängerte Ladenöffnungsfreiheit ungenützt lässt. "Wir haben Kunden und Mieter abgefragt und festgestellt, dass wir mit der derzeitigen Regelung auskommen", sagt Sprecher Robert Buchacher zum Standard. Nicht einmal die Ikea-Öffnungszeiten, die neben dem langen Donnerstag (bis 21 Uhr) zusätzlich einen langen Freitag vorsehen, hätten sich bewährt. Daher bleiben die Läden in der Shopping City Süd werktags unverändert von 9.30 bis 19 Uhr und samstags bis 18 Uhr geöffnet. Night-Shopping gibt es in der SCS – im Gegensatz zu den Wiener Einkaufszentren – weiterhin nur am Donnerstag.

Kein Aufweichen der Sonntagsruhe

Was die SCS an den von 66 auf 72 Stunden verlängerten Ladenöffnungszeiten grundsätzlich stört: Dass ihr sehnlichster Wunsch, samstags eine Stunde länger und wenigstens an den vier Adventsonntagen nachmittags offenhalten zu dürfen, nach wie vor nicht erlaubt ist. Das wäre das vordringlichste Anliegen der SCS gewesen, scheiterte aber am Widerstand von Ländern, Gewerkschaft und Kirche. Sie lehnten das Aufweichen der Sonntagsruhe ab. Spannend beobachtet wird in der Branche, wie der Feldversuch der Wiener Einkaufszentren ausgeht. Die Händler in Donauzentrum und Lugner City wollen ihre Waren bis 20 Uhr feilbieten und so zum Abendeinkauf locken. Branchenkenner geben ihnen unter Hinweis auf den ZiB-Effekt allerdings eher geringe Chancen auf Erfolg. Auf gar keine einheitliche Regelung einigen konnten sich hingegen die Wiener Einkaufsstraßen. Dort sperrt seit Jahren jeder Unternehmer sein Geschäft auf, wann er es für gut befindet.

Öffnungszeiten-Chaos bleibt

Damit ist klar: Den Verbrauchern bleibt das Öffnungszeiten-Chaos erhalten. Das erwartet auch Iris Thalbauer von der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer. "Die 66 Wochenstunden wurden bisher nicht ausgenützt. Daher ist zu bezweifeln, dass die 72 Stunden flächendeckend ausgeschöpft werden. Wir gehen davon aus, dass das nicht kommt." Man könne schließlich keinen Betrieb zwingen, sein Geschäft aufzusperren. "Standortbezogen" heißt die uneinheitliche Regelung beim Handelskonzern Rewe Austria (Billa, Merkur, Bipa, Penny). "Wir nutzen die 72 Stunden natürlich aus und handhaben die Regelung standort- und vertriebslinienspezifisch. Ganz nach den Kundenbedürfnissen werden wir am Abend länger oder am Morgen früher offen halten", kündigt Rewe-Vorstand Frank Hensel an. Umsatzsteigerungen erwartet er von der Abendöffnung aber nicht. Nach einem halben Jahr werde man sehen, was sich bewährt habe.

Sonntagsruhe

Zusätzlichen Liberalisierungsbedarf sieht Rewe übrigens nicht, auch nicht für die Sonntagsöffnung – ausgenommen an Bahnhöfen, Flughäfen und natürlich bei der Fußball-EM. Ähnlich läuft es auch beim großen Konkurrenten Spar. Dort werden die Öffnungszeiten auch je nach Standort angepasst. Gemeinsam ist allen, dass samstags bis um 18 Uhr offenbleibt. Derzeit sieht es danach aus, als würde vor allem der Lebensmittelhandel die neuen Zeiten nützen. Andere Branchen beurteilen die Sache zurückhaltend. "Wir tun gar nichts", sagt etwa XXXLutz-Sprecher Thomas Saliger. Die Personalkosten seien zu hoch, "unsere Mitarbeiter sind ja nicht nur Regalschlichter." (Leo Szemeliker, Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.1.2008)