Familienväter als Gewalttäter: Vorweihnachtliches Inseratensujet "Verliebt. Verlobt. Verprügelt."

Kampagnensujet Frauenhelpline

Korrigierender Nachtrag zu einer Anzeigenkampagne des österreichischen Frauenministeriums.

Weihnachten war's, die Zeit, in der alle gerne auf die Leidenden hinweisen, weil sich dann die eigenen Wunscherfüllungen – gewissensmäßig – besser ertragen lassen. Mit ihrer vor dem großen Familienfest geschalteten Anzeige "Verliebt. Verlobt. Verprügelt" hat Frauenministerin Bures diesen werbepsychologischen Weihnachtsmechanismus gut bedient: Ihr geht es um Gewalt in Familien und wie sie sich abstellen lässt.

Die Annonce zeigt Mutter und Kind beim Spiel mit Eisenbahn und Lego und das Ganze vor Zimmertür mit Schaukelpferd an Lederzaumzeug. Eigentümlich jedoch, dass Mutter und Sohn mit stoßmindernden Schaumstoffhelmen bis runter zum Kinn und schusssicheren Westen bis zur Hüfte bewehrt sind. Und fragend schauen sie zum Vater hin, als schwante Mutter und Sohn extrem Böses vor ihm, wogegen im Falle des Falles nur noch Schutzbekleidung hilft. Der Papa jedoch trägt keine Schutzbekleidung. Der hat's wohl nicht nötig. Ihn greift ja niemand an, er ist der Angreifer.

Nun, die Botschaft ist klar: Immerhin gibt es ein EU Antidiskriminierungsgesetz, nach dem das Diskriminieren von Personen oder Gruppen nach dem Geschlecht strafbar ist. Aber: Genau so eine Diskriminierung erfolgt hier durch die Gestaltung der Anzeige: Die Väter werden als die Gewalttätigen in der Familie vorgeführt, die das Weihnachtsfest stören. Papa der Täter, Mama und Kind, wie Maria und Jesu, einfach die Gefährdeten. Neu an dieser Art Werbung ist nichts, allenfalls die Tatsache, dass die Gewaltdiskussion weihnachtsfähig wird.

Und so sehr mitunter die Eintracht nach Innen offenbar den Störenfried von außen braucht, damit es Innen so richtig unheimlich gemütlich und heimelnd eng wird, drängt sich doch die Frage auf, ob die Prämissen dieser Annonce die vorweihnachtliche Verdichtung der frauenministerlichen Botschaft überhaupt tragen. Anders gefragt: Hat die Gewalt, die den Männern unterstellt wird, die Aufgabe, das Fest an der Seite mit den Müttern zu Lasten der Väter zu fördern? Genaueres über Gewalt zu Weihnachten wissen wir nicht. Allenfalls, dass die Polizei besonders häufig ausrücken muss, um die durch allzu große emotionale Nähe gewaltig aneinander geratenen Familienmitglieder wieder auf Normalabstand zu bringen. Und die Jugendlichen gehen am Heiligen Abend in die Innenstadt zur Peergroup, um die emotionale Distanz zur elterlichen Generation wieder herzustellen.

Irreführung ...

Jenseits von Weihnachten wissen wir durchaus einiges über Gewalt, sowohl zwischen Beziehungspartnern wie von Eltern an ihren Kindern. Die Zahlen sind allerdings andere, als die Ministerin zur Verteidigung ihrer weihnachtlichen Diskriminierung von Männern voraussichtlich anführen wird. Dabei geht es um Zahlen aus der Forschung, nicht um Hochrechnungen von vereinzelten Erfahrung oder Episoden, die für politische Kampagnen wie diese verallgemeinert werden.

Nehmen wir die Gewalt zwischen Männern und Frauen, die sich scheiden lassen; Die Trennung ist schmerzlich, die Kränkungen teilweise verheerend, die Sprachlosigkeit überbordend. Narzisstische Kränkungen werden ausgeteilt mit der Grausamkeit des Wissens um die empfindlichsten Stellen des jeweils anderen. Psychische und instrumentelle Gewalt vermischen sich zu einer subtilen Dynamik gewalttätiger Auseinandersetzungen.

Eine vor kurzem von unserem Institut durchgeführte Befragung von 3600 Männern hat zu Tage gefördert, dass es bei knapp einem Drittel aller Scheidungen zu solch gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Die Scheidung und die daran schließende Phase mit dem häufigen Streit um Sorge- und Besuchsrechten ist demnach jener partnerschaftliche Kontext, in dem am häufigsten Gewalttätigkeiten ausbrechen. Und wenn man Männer fragt, wie häufig solche Gewalttätigkeiten sich ereigneten, dann bekommt man folgende Antworten. In jeder dritten Scheidung, in der es zu Gewalt kommt, ereignet sich eine einmalige Gewaltszene in 29.5 %, in 25,5 % kommt es zweimal zur Gewalt und in 45 % zu mehrmaligen Gewalthandlungen. Nach der gängigen Ideologie einer zweigeteilten Welt von männlichen Tätern und weiblichen Opfern wird die Frauenministerin wie die von ihr finanzierten Organisationen geltend machen, dass man daran wieder einmal die männliche Gewalttätigkeit erkennen könne. Aber ganz so einfach ist es nun eben doch nicht.

Wir haben die Männer gefragt, wer denn nun die Gewalt initiiert hat. Und die Antworten haben uns erstaunt. In 14.2 % aller Gewalthandlungen haben Männer damit begonnen, in 20,5 % haben sie gemeinsam mit ihrer Partnerin den Weg in die Handgreiflichkeit eingeschlagen und in 65,3 % waren es die Frauen, die mit der Gewalt begonnen haben. Das widerspricht nun recht gründlich der Ideologie von den gewalttätigen Männern und den friedfertigen Frauen.

... der Öffentlichkeit

Allein das würde schon die Annonce der Frauenministerin als Irreführung der Öffentlichkeit qualifizieren. Sie kann von Glück sagen, dass niemand auf den Gedanken gekommen ist, diese Annonce am Antidiskriminierungsverbot zu messen. Und per Bild nahe zu legen, dass Mama und Kind vom Vater gleichermaßen bedroht werden, stimmt auch nicht. Es steht im Widerspruch zur österreichischen Forschung von vor 20 Jahren und den internationalen Untersuchungen ebenfalls. Mütter prügeln und piesacken ihre Kinder nicht weniger als Väter und wenn sie selber nicht prügeln, dann kann es daran liegen, dass sie sich der alten Arbeitsteilung bedienen, nach der der Vater das tun muss, womit die Mutter sich die Finger nicht schmutzig machen möchte: eben prügeln. Und dass Mütter besonders nach der Geburt, anders als die Väter, zu den schlimmsten Ausbrüchen mit tödlichem Ausgang fähig sind, das wird öffentlich dieser Tage. Es ist wahrlich keine gute Idee, im Schatten weihnachtlicher Sentimentalitäten, Männern Übles nachzusagen und Frauen zu Marienfiguren zu stilisieren. Zumindest alle Forschung steht dem unnachsichtig im Wege.

Vielleicht sollte man es im Neuen Jahr mit einer sachlichen Auseinandersetzung über Gewalt zwischen Partnern und von elterlicher Gewalt an ihren Kindern einmal probieren. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.1. 2008)