Wien – Erneuerter Aufsichtsrat, neue Geschäftsordnung mit Alterslimit und ein Konzernumbau, durch den auch beim Österreich-Ableger kein Stein auf dem anderen bleibt: 2008 beginnt bei der Siemens AG Österreich (SAGÖ) mit Überraschungen – und einem Machtverlust der alten Garde.
Für den wird der neue Präsident, Konzernpersonalchef Siegfried Russwurm, sorgen. Er ersetzt an der SAGÖ-Spitze den langjährigen Arbeitsdirektor im Münchner Konzernvorstand, Jürgen Radomski.
Russwurm ist zugleich für das Europa-Geschäft verantwortlich, er deckt die Agenden seines an die Spitze der Industriesparte gewechselten Konzernvorstandskollegen Heinrich Hiesinger ab, was im Österreich-Kontrollgremium Platz für den zweitmächtigsten Mann im Münchner Konzernvorstand schafft: Finanzvorstand Joe Kaeser. Wiewohl nur einfaches Mitglied des SAGÖ-Aufsichtsrats, hat Heinrich von Pierers einstiger Strategiechef nun direkteren Einblick in und vor allem Einfluss auf die Gebarung der als "bockig" verschrieenen Landesgesellschaft.
Bekannter Ansprechpartner
Sein neuer Ansprechpartner ist bekannt: SAGÖ-Finanzchef Reinhard Pinzer, zuvor Siemens-VDO.
Ob die Österreicher rund um Generalin Brigitte Ederer ("Wir sind nicht bockig, aber dem österreichischen Aktien- und Arbeitsverfassungsgesetz verpflichtet") bei der Trockenlegung der Schmiergeldsümpfe durch die neuen Aufpasser kooperativer sein werden, bleibt abzuwarten. Dafür gibt es eine zweite Überraschung: Vizepräsident des Wiener Siemens-Aufsichtsrats wurde nicht, wie von Siemensianern erwartet, Ederers Vorgänger Albert Hochleitner, sondern es bleibt EVN-Aufsichtsratschef Rudolf Gruber. Womit klar ist, dass die soeben beschlossene neue Geschäftsordnung ihre Wirkung vorerst verfehlt hat. Sie sieht nämlich vor, dass Kapitalvertreter "mit Vollendung des 70. Lebensjahres den Rücktritt anzubieten haben". Die Rolle des zuverlässigen Stimmvolks spielen unverändert Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad, Magna-Chef Siegfried Wolf, Ex-RHI-Chef Helmut Draxler und Meinl-Power-Vorstand Hans Haider.
Misstrauensvotum
Sicher nicht so harmonisch wird es in der Konzernhauptversammlung am 24. Jänner in der Münchner Olympiahalle zugehen. Für diese hagelt es Misstrauensbekundungen seitens der Belegschafts- und Streubesitzaktionärsvertreter. Sowohl die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DWS) und Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) wollen dem Vorstand wegen der Korruptionsaffäre die Entlastung wenn schon nicht zu verweigern, so zumindest vertagen und einzeln abstimmen. Das Vertrauen der Belegschaftsaktionäre haben die im Vorjahr zurückgetretenen Führungskräfte bereits mit der Finanzierung der Arbeitnehmervertretung AUB (als Konkurrenz zu Betriebsrat und Gewerkschaft) sowieso verwirkt. (Luise Ungerboeck, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4.1.2008)