Das Ultimatum Serbiens an die EU, sich zwischen einem unabhängigen Kosovo und einem EU-Partner Serbien zu entscheiden, hat auf dem Westbalkan eine explosive Lage geschaffen, sagte der slowenische Außenminister und EU-Ratsvorsitzende Dimitrij Rupel am Dienstag in Ljubljana anlässlich des Besuchs der EU-Kommission.

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Über Nacht habe sich auf dem Westbalkan ein "künstliches Dilemma" ergeben, eine explosive Situation in der Dreiecksbeziehung zwischen der EU, Serbien und dem Kosovo. Das sagte der slowenische Außenminister und Ratsvorsitzende Dimitrij Rupel. Verantwortlich dafür zeichne der serbische Premier Vojislav Kostunica, der die EU wie berichtet vor die Alternative gestellt hat, entweder die Unabhängigkeit des Kosovo zu unterstützen und wie geplant zivile Aufbauhilfe zu leisten, oder die Partnerschaft mit Serbien zu vertiefen. Sollte die EU wie geplant rund 2000 Polizisten, Richter und Finanzbeamte entsenden, um zivile Strukturen aufzubauen, werde Serbien das bereits paraphierte Stabilitäts- und Assoziierungsabkommen (SAA) suspendieren. Die für 28. Jänner geplante Unterzeichnung wäre damit hinfällig, sagte Kostunica. Das SAA gilt als Vorstufe zu einem EU-Beitritt.

Rupel betonte, dass die Verbindung zwischen dem Kosovo-Problem und einer Annäherung Serbiens an die EU gegen die Interessen der Serben sei. 70 Prozent der Bevölkerung würden einen EU-Beitritt begrüßen. "Serbien kann doch nicht der Russischen Föderation beitreten oder den USA, das ist völlig verrückt. Der Platz Serbiens ist in der EU."

Um die Lage zu entspannen, soll nun eine Taskforce gebildet werden, der dem Vernehmen nach neben Rupel und Kostunica sowie Vertretern des Kosovo auch EU-Chefdiplomat Javier Solana und Erweiterungskommissar Olli Rehn angehören sollen.

Prinzipiell gebe es allerdings keinen Zweifel, dass der "Kosovo eine eigene Nation ist" und dieses Recht auch nicht verhandelbar sei. Die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo wird für Februar erwartet, nach Abschluss der serbischen Präsidentenwahlen.

Slowenien hält allerdings wenig von einer einseitigen Erklärung: "Das wäre wenig hilfreich", so Rupel. Dennoch werde Slowenien wie die meisten anderen EU-Staaten einen unabhängigen Staat Kosovo relativ "zügig" anerkennen, ließ der Außenminister durchblicken. EU-Staaten, die sich noch gegen so einen Schritt mehr oder weniger wehrten wie Zypern, Griechenland oder die Slowakei werde er besuchen und die Notwendigkeit einer einheitlichen EU-Linie klarmachen. Ob das SAA-Abkommen mit Serbien noch wie geplant am 28. Jänner unterzeichnet werden kann, ließ Rupel offen: "Noch gehen wir davon aus."

Aufhorchen ließ der slowenische Außenminister mit der Aussage, dass den Beziehungen zur Ukraine und Georgien im ersten Halbjahr 2008 Priorität eingeräumt werden soll. Die Ukraine bemüht sich um eine Annäherung an die EU und hofft auf den Kandidatenstatus in fernerer Zukunft, was von der EU-Kommission bisher immer abgelehnt wurde. Die Ukraine habe keine Beitrittsperspektive, hieß es bis jetzt. Diplomaten in Brüssel zufolge wollen sich die "neuen" EU-Mitglieder im Osten verstärkt für die Ukraine einsetzen.

Neben dem Kosovo ist die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon (EU-Reformvertrag) in den einzelnen Staaten ein Hauptthema der slowenischen Präsidentschaft. Neben der fixen Volksabstimmung in Irland könnte es nun auch ein Referendum in Portugal geben, wurde in Ljubljana bekannt. In allen anderen Ländern stimmen die nationalen Parlamente über den Vertrag ab. In Österreich soll dies im Frühjahr geschehen.

Der Staatssekretär für europäische Angelegenheiten Janez Lenarèiè sagte, die Ratifizierungsphase schränke den slowenischen Vorsitz in doppelter Hinsicht ein. Zum einen könnten Entscheidungen, die mit dem neuen Vertrag zusammenhängen, nur auf technischer Ebene behandelt werden, um nicht den Eindruck zu erwecken, die EU nehme das Ergebnis des Ratifizierungsprozesses vorweg. Zum anderen wäre es "nicht hilfreich" für die Ratifizierung des Vertrages, wenn heikle Reformdebatten wie etwa die Zukunft des britischen Budgetrabatts jetzt geführt würden. (Michael Moravec aus Ljubljana/DER STANDARD, Printausgabe, 9.1.2008)