Paul Höcker erwägt rechtliche Schritte gegen den ORF, der ihn in einer möglichen "Schlüsselrolle" sah. Er bestätigt Ermittlungen der Kriminalpolizei, bereits vor einem Jahr seien Humanplasma-Räumlichkeiten durchsucht worden. "Es wurde nichts gefunden, weil nichts da war. Wir haben schon vor fünf Jahren damit aufgehört, Blut einzufrieren."

Foto: Humanplasma

Wien – Paul Höcker will sich nicht aus der Zeitung lachen sehen. Und schon gar nicht aus dem Fernseher. Seit der ehemalige, weil pensionierte Universitätsprofessor und stellvertretende Vorstand der Abteilung für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin am AKH zu Wien am Donnerstag in der „ZiB_2“ mit einem mutmaßlichen Blutdoping-Ring in Verbindung gebracht worden war, ist der 65-Jährige am Überlegen, wie sein Ruf zu verteidigen ist. Höcker erwägt rechtliche Schritte.

„Eine Schlüsselrolle soll ein zweiter Mediziner bei Humanplasma spielen“, hieß es im „ZiB_2“-Beitrag. Und weiter: „Über ihn seien Kontakte zu den Sportlern gelaufen, heißt es.“ Und: „Aber der Mann ist nicht auffindbar.“

Von Höcker unbestritten – der STANDARD erreichte den urlaubenden Mediziner problemlos am Handy – ist seine Tätigkeit als ärztlicher Leiter zweier Spendezentren der Firma Humanplasma, nämlich in Wien 21 und im niederösterreichischen Retz. Nicht bestreiten kann Höcker, dass Humanplasma schon länger verdächtigt wird, einer Unzahl von Sportlern aus dem In- und Ausland beim Blutdoping behilflich gewesen zu sein. „Die Kriminalpolizei hat ermittelt, Räumlichkeiten wurden vor einem Jahr durchsucht. Es wurde nichts gefunden, weil nichts da war“, sagt Höcker.

Olympische Beutel

Die, nun ja, Blutspur hatte die vom Skiverband eingesetzte Disziplinarkommission aufgenommen, die den Olympiaskandal von Turin untersuchte. Ein damals nicht veröffentlichtes Detailergebnis betraf jene Blutbeutel, die während einer Razzia beim inzwischen zurückgetretenen österreichischen Biathleten Wolfgang Perner sichergestellt worden waren. Blutbeutel mit den gleichen Chargennummern waren auch an Humanplasma geliefert worden. Davon wurde u.a. die Welt Anti Doping Agentur (WADA) in Kenntnis gesetzt, worauf deren damaliger Leiter Richard Pound Österreichs Sportstaatssekretär Reinhold Lopatka per E-Mail vom 23. November um Aufklärung ersuchte, da Humanplasma laut „verlässlichen Quellen“ Athleten „beim Blutdoping“ unterstützen soll“.

Humanplasma bestritt in Person von Lothar Baumgartner, der in den Spendezentren Wien 9, St. Pölten und Hainburg als ärztlicher Leiter und in der Firma selbst als einer von zwei Geschäftsführern tätig ist, alle Anschuldigungen. Der Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin will bei eigenen Nachforschungen keine Verdachtsmomente gefunden haben. Was freilich nicht heiße, dass außerhalb der Betriebszeiten und quasi hinter seinem Rücken unlautere Machenschaften nicht möglich gewesen sein könnten.

Seine Angaben, wonach Humanplasma gar nicht über die für Blutdoping erforderlichen Geräte verfüge, musste Baumgartner relativieren. Ein Prozessor, der nach dem Einfrieren aufgetaute rote Blutkörperchen mittels Glykol länger haltbar macht, sei vor Jahren angeschafft, aber nie verwendet worden. Die charge_identen Blutbeutel seien nach Tests weggeworfen und dann verbrannt worden. Kontakte zu Sportlern, sagt Baumgartner, habe er keine.

Auch Höcker sagt, dass er niemanden aus der Szene kennt. Wohl kennt er sich aber mit der Materie aus und wird deshalb gerade jetzt oft kontaktiert. „Es gibt ja nicht so viele Spezialisten in Österreich.“ Höcker hat sich intensiv mit der Möglichkeit von Eigenblutspenden vor Operationen beschäftigt und darüber auch mehrfach publiziert. Die im Zusammenhang mit den Verdächtigungen gegen Humanplasma beschriebene Methode des Dopings – Blut wird abgenommen, eingefroren und nach Lagerung unmittelbar vor Wettkämpfen wieder zugeführt, um die Anzahl der für den Sauerstofftransport zuständigen Erythrozyten (roten Blutkörperchen) zu erhöhen – hält er für problematisch. „Wir haben schon vor fünf Jahren damit aufgehört, Blut einzufrieren. Nach sechs Wochen sind 20 Prozent der Erythrozyten kaputt. Der Rest braucht ein bis zwei Tage, um sich zu erholen.“ Ein exaktes Timing sei sehr schwierig. (Sigi Lützow - DER STANDARD PRINTAUSGABE 12.1. 2008)