Wien - An dieser Frage scheiden sich derzeit die Geister: Sollen Embryonen für die Medizin gezüchtet werden dürfen? Im Zweifel ja, sagt der Leiter der Abteilung für Endokrinologie und Sterilitätsbehandlung an der Wiener Uni- Frauenklinik Johannes Huber. Denn damit wären Schwerkranke zu heilen. Aus Stammzellen können Organe für die Transplantation gezüchtet werden - aus embryonalem Gewebe viel gefahrloser als aus Zellen erwachsener Menschen, weil sie nicht virenbelastet sind. Das dafür notwendige umstrittene therapeutische Klonen wird von britischen WissenschafterInnen befürwortet. "Menschenverachtung" In Österreich formiert sich bereits Widerstand: Das von der Bischofskonferenz getragene "Institut für medizinische Anthropologie und Bioethik" (IMABE) bezeichnet ein solches Verfahren als "Menschenverachtung und ethischen Bankrott". Diese Woche wird von kirchennahen Organisationen daher eine "Aktionswoche für den Schutz des Lebens" veranstaltet. Doch Huber bleibt unbeirrt dabei: Diese Methode werde "einen Quantensprung in Biotechnologie, Medizin und Gesellschaft auslösen". Aber wahrscheinlich werde die Tragweite hierzulande erst erkannt, wenn irgendein prominenter Parkinson-Kranker geheilt im Fernsehen auftrete. Denn mit Hilfe des Verfahrens kann man auch Gehirnzellen wachsen lassen und transplantieren. Huber wünscht sich mehr Power für diesen Forschungszweig in Österreich. Er selbst hat vor vier Monaten gemeinsam mit Forscherkollegen Peter Husslein einen Antrag auf ein Boltzmann-Institut für Stammzellenmedizin gestellt. Auch am Onkologischen Zentrum an Wilhelminenspital steht man der neuen Methode grundsätzlich positiv gegenüber. Dort bringt Prof. Heinz Ludwig und sein Team - mit Hilfe von Stammzellen Erwachsener - schon jetzt Tumore zum Schrumpfen. Die Forschung zur Krankenbehandlung sollte in diesem Bereich nicht limitiert werden, wünscht sich Ludwig. Grundsätzlich brauche es aber Gesetze, um Missbräuche hintanzuhalten. Denn die Gefahr, dass sich der Mensch zum gottähnlichen Wesen aufschwinge, der den genetisch makellosen Menschen schaffe, bestehe natürlich. Im Prinzip sei aber die medizinische Entwicklung "sowieso nicht aufzuhalten". Deswegen müsse man sich der Diskussion darüber stellen, sagt Ludwig. Das hat das Justizministerium offenbar auch vor. Im Herbst soll gemeinsam mit dem Sozialressort eine Grundsatzdebatte über das - im internationalen Vergleich sehr restriktive - Fortpflanzungsmedizingesetz geführt werden. Der Anlass: Krebspatienten soll in Zukunft die Möglichkeit eröffnet werden, ihre Samen- oder Eizellen vor der (Unfruchtbarkeit erzeugenden) Behandlung "auf Eis zu legen". In diesem Zusammenhang werde man auch neue Entwicklungen besprechen, sagt Ministerialrat Michael Stormann. (Martina Salomon/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 29.8.2000)