Falls ein Teil der EU-Staaten einseitig die Unabhängigkeit des Kosovo anerkennt, wäre das eine grobe Verletzung der territorialen Integrität Serbiens, auf die Belgrad energisch reagieren müsste, meint der Staatssekretär im serbischen Ministerium für den Kosovo, Dusan Prorokoviæ. Nicht Serbien habe seine Politik gegenüber der Europäischen Union, sondern Brüssel seine gegenüber Belgrad verändert, sagte er zum Standard - und das werde auch Folgen auf die Region haben.

Eine unilaterale, widerrechtliche Anerkennung des Kosovo wäre "kein freundschaftlicher Akt". Serbien wäre gezwungen, sich danach neuen strategischen Partnern zuzuwenden, nämlich jenen Staaten, die die territoriale Integrität Serbiens unterstützten, erklärte Prorokoviæ. Jedenfalls haben alle serbische Ministerien Aktionspläne ausgearbeitet, die nach einer Unabhängigkeitserklärung des Kosovo in Kraft treten sollen.

Es sei so einiges unklar in der Kosovo-Politik der Union, sagte Prorokoviæ. Die EU könne das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) mit Serbien nur mit von der UNO anerkannten Staaten unterzeichnen. Da Kosovo ohne die Zustimmung des von Russland unterstützten Serbien nicht von den Vereinten Nationen anerkannt werden könne, sei auch die europäische Perspektive der südserbischen Provinz äußerst fragwürdig, sagte Prorokoviæ.

"Nicht Serbien will das schon paraphierte Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen annullieren." Die Europäische Union werde einseitig auf das SAA mit Serbien verzichten, wenn Mitgliedstaaten widerrechtlich eine Mission in den Kosovo schickten, die Unabhängigkeit eines Teil des serbischen Territoriums anerkennen würden und somit grob die territoriale Souveränität Serbiens verletzten, gab er sich überzeugt. "In diesem Fall sehe ich persönlich keine Möglichkeit, dass Serbien die europäische Integration fortsetzt."

Koalition gespalten

Angesichts der für den 20. Jänner angesetzten Präsidentschaftswahlen ist die serbische Koalitionsregierung jedoch gespalten in der Frage, wie der Staat auf die Anerkennung des Kosovo reagieren sollte. Während sich Staatspräsident Boris Tadiæ und seine "Demokratische Partei" (DS) unter allen Umständen für die Fortsetzung der europäischen Integration Serbiens einsetzen, macht Regierungschef Vojilslav Kostunica die europäische Zukunft Serbiens von der Kosovo-Frage abhängig.

Einige Minister aus Kostunicas national-konservativer "Demokratischen Partei Serbiens" (DSS) reden von einer Einschränkung diplomatischer und bilateraler Beziehungen mit jenen westlichen Staaten, die den Kosovo anerkennen - und einer engen Bindung an das Serbien freundschaftlich gesinnte Russland.

Schicksalswahl

Tadiæ, der erneut für das Präsidentenamt kandidiert, zieht dagegen mit der Parole in den Wahlkampf, dass Serbien vor einer schicksalhaften Entscheidung stehe: entweder europäische Zukunft oder nationalistische Vergangenheit und der Weg in die internationale Isolation.

Sein Kontrahent von der antiwestlichen "Serbischen Radikalen Partei" (SRS), Tomislav Nikoliæ, propagiert ähnlich wie Premier Kostunica den "östlichen Weg", die Partnerschaft mit Russland und anderen Staaten, die Serbien nicht einen Teil seines Territoriums "rauben" wollen.

Es wird eine knappe Stichwahl erwartet. DSS und SRS hätten eine bequeme parlamentarische Mehrheit, falls es zum endgültigen Bruch zwischen Tadiæ und Kostunica kommen sollte. (Andrej Ivanji aus Belgrad/DER STANDARD, Printausgabe, 14.1.2008)

derStandard.at/Kosovo

Der Staatssekretär im serbischen Kosovo-Ministerium, Dusan Prorokoviæ.