Wien - The End of the Neubacher Project - das bedeutet zweierlei: das Durchbrechen eines Programms und den Abschluss eines Films. Ursprünglich ein Film über die "österreichische Krankheit", die charakterisiert ist durch Verdrängung, Obrigkeitshörigkeit, Selbstviktimisierung - die "Unfähigkeit zu trauern". Und eine Auseinandersetzung mit der Großelterngeneration und deren Rolle zur Zeit des Nationalsozialismus. Aber mit der Zeit beginnt sich der Fokus zu verschieben.
Das Neubacher Projekt durchleuchtet - als dichte Montage, mit allgegenwärtiger Kamera, Archivaufnahmen und Off-Kommentar - Familien- und Zeitgeschichte bis in die Gegenwart. Eberhard und Hermann Neubacher, Großvater und Großonkel des Regisseurs Marcus J. Carney, hatten als Parteimitglieder während des Dritten Reichs hohe Ämter inne. Der Großvater organisierte als Direktor des Lainzer Tiergartens Jagden für die NS-Politprominenz, sein Bruder war als Wiener Bürgermeister für den Verkauf jenes Grundstücks in Niederösterreich verantwortlich, auf dem das Konzentrationslager Mauthausen errichtet wurde.
Während Carneys Onkel rund 50 Jahre später darauf besteht, nichts bewältigt zu haben, weil es nichts gegeben habe, was man bewältigen hätte müssen, ist seine Mutter fassungs- und hilflos angesichts des skrupellosen Umgangs der eigenen Eltern mit ihrer Vergangenheit.
Der Filmemacher selbst, Jahrgang 1967, hat acht Jahre an seinem Projekt gearbeitet. Entsprechend komplex und reflektiert ist das Ergebnis. Die Entwicklungsgeschichte des Films ist ein Teil davon. Sie ist verknüpft mit jenem Prozess, bei dem sich das Erkenntnisinteresse von der Generation der Täter zu jener der Nachkommen verlagert. Dies wiederum ist nicht von den einschneidenden Ereignissen zu trennen, die während der acht Jahre eintreten. Und so stellt sich schließlich die Frage, ob es eine Verbindung gibt zwischen dem Projekt der Familie Neubacher, nicht zu trauern, und dem Krebs, der die Lunge der Mutter befällt - jenes Körperteil, das die chinesische Medizin als "Organ der Trauer" definiert.
Körper mitbetroffen
Den Aspekt der Somatisierung, der körperlichen Manifestation von inneren Vorgängen, teilt The End of the Neubacher Project mit einem verwandten dokumentarischen Unternehmen (seit Freitag bereits im Kino). Auch in Hafners Paradies von Günter Schwaiger wird am Ende nahegelegt, dass der Körper als Speichermedium nicht unaffiziert bleibt von den Erfahrungen und Erinnerungen, die sich in ihn einschreiben.
Protagonist ist in diesem Fall der gebürtige Südtiroler und ehemalige SS-Offizier Paul Maria Hafner, der in den 50er-Jahren nach Spanien geschickt wurde, wo er sich eine Existenz aufbauen konnte, die erst durch das Ende der Franco-Diktatur empfindlich irritiert wurde. Unerschütterlich sind dagegen bis heute Hafners Bekenntnis zum Nationalsozialismus und seine Leugnung des Holocausts geblieben.
Der Filmemacher erhebt dies in der Begegnung mit seinem Protagonisten in dessen eigenen Worten, Selbstinszenierungen beziehungsweise in Beobachtungen von Hafners Alltag zwischen spartanischer Lebensführung und Kontakten zu Neofaschisten und deutschen Altnazis.
Konfrontiert mit Hafners nonchalanter Reduktion der Holocaust-Leugnung auf eine "Glaubensfrage", ruft der Regisseur Zeugnisse und Zeugen auf. Und nachdem ihm historische Filmaufnahmen von Konzentrationslagern gezeigt wurden, beginnt der laut eigenem Bekunden stets gesunde Hafner, an unerklärlichen Schmerzen zu leiden, die ihm das Sprechen erschweren. Der Besuch eines KZ-Überlebenden führt zu nahezu katatonischen Zuständen.