Ansichtssache: Gerichtszeichnungen von Oliver Schopf

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Wien – Die Szenen im Großen Schwurgerichtssaal am Dienstag ähnelten dem Schulbeginn nach den großen Ferien: Fast freudig begrüßten einander Verteidiger, Angeklagte, Richter, Schöffen und eingesessene Beobachter im Bawag-Prozess. Die Besetzung in Ost- und Westflügel (so nennt Richterin Claudia Bandion-Ortner die zwei Anklagebänke) blieb fast gleich – nur Ex-Bawag-Wirtschaftsprüfer Robert Reiter hat einen zweiten Anwalt, Christoph Herbst, ins Rennen geschickt. Herbst (Westen) war einst Kompagnon von Christian Hausmaninger, der Wolfgang Flöttl (Osten) verteidigt. Nur einer saß wie stets still auf seinem Stückchen Arme-Sünderbank: Günter Weninger.

Am Wort war Thomas Keppert. Er präsentierte den letzten Teil seines Bilanzgutachtens – und analysierte, dass die Bilanzen 2003 und 2004 stimmen – so der Bawag-Vorstand nichts von den Refco-Malversationen gewusst oder zu deren Verschleierung beigetragen hat (der Standard berichtete am Dienstag).

Zur Erinnerung: Die Bilanzen 1998 bis 2002 hält Keppert für falsch. Staatsanwalt Georg Krakow hat daher die Anklage ausgedehnt, nun sind alle Ex-Bankchefs wegen Bilanzfälschung (bis 2002) angeklagt.

Anwalt Herbst nahm den Gutachter in die Zange. Ein Thema wurde besonders kontroversiell abgehandelt: die zehnprozentige Beteiligung der Bawag und ihre Kredite an die CAP-Holding, die das palästinensische Kasino Jericho errichtet hatte. Weitere Gesellschafter der CAP: Casinos Austria (zehn Prozent), MS Privatstiftung des Martin Schlaff, und Palästinenser. Die Casinos haben ihren Anteil 2001, nach Beginn der Kämpfe, abgeschrieben. Die Bawag aber wertete ihren von fünf auf 120 Mio. Euro auf; wertberichtigt wurde 2005.

Elsner bemüht Arafat

Keppert meint (anders als Reiter, der von der Möglichkeit einer Wiedereröffnung des Kasinos ausgeht), die Bawag hätte ebenso abschreiben müssen. "Warum wurde nicht abgeschrieben, Herr Elsner?", fragte die Richterin, um zu erfahren, das Kasino sei als "wichtige israelisch-palästinensische Fremdenverkehrsinvestition von PLO-Chef Arafat unterstützt worden. Er war auch bei uns in der Bank." Elsner, seinen Stehsatz variierend: "Ihn können Sie aber nicht fragen, er ist schon tot."

Tatsächlich war der CAP-Anteil ein Wanderpokal, landete 2001 im Rahmen der Verlustverarbeitung im Fonds "Liquid Opp Plus", später im „Monte Brook.

2003 machte die CAP einen Verlust von 14 Mio. (2004: rund 36 Mio.) Dollar, hatte laut Gutachten "einen Verkehrswert von null". Zudem hatte die "CAP-Holding bzw. Treuhänder" 41,3 Mio. Euro an Krediten bei der Bawag offen; Sicherheiten gab es in Kepperts Augen keine. 14 Mio. davon waren als Bawag-Gesellschafterdarlehen über einen Treuhänder geflossen, und zwar über Anwalt Norbert Steger, bis 1986 FPÖ-Parteichef und Vizekanzler bis 1987. Selbiger zum Standard: "Ich habe 80 Prozent gehalten, weil es in diesem sensiblen politischen Raum Personen gibt, die nicht aufscheinen sollen. Ich war ja auch Präsident der CAP Holding; alle anderen Gesellschafter waren informiert, wer dahinter steht."

Steger, einer von Schlaffs Rechtsberatern, zur Bewertung der CAP: "Jericho war vorübergehend das bestverdienende Kasino der Welt; vor der Intifada 2000 wollte es einer der größten Kasinobetreiber der Welt, eine Gruppe aus Las Vegas, kaufen. Sie bot 1,5 Milliarden Dollar. Daraufhin wollte die Mehrheit der CAP-Gesellschafter 1,8 Mrd. Dollar – und dann kamen die Kämpfe. Die Kaufverhandlungen wurden abgebrochen. Aufgewertet habe damals auch die Casinos AG , aber eben nur bis zum Bürgerkrieg, da hat sie wieder abgewertet. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.01.2008)