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ÖBB-Chef Martin Huber vor dem Modell für den neuen Wiener Hauptbahn-hof. Beim Wettbewerb für die umliegende Bahnhof City droht ihm Ungemach.

APA/ Artinger
Der Standard-Bericht über den Architektenaufstand gegen den Wettbewerb für die Bahnhof City hat unter Vergabejuristen heftige Diskussionen ausgelöst. Viele von ihnen halten den Antrag auf Nachprüfung für aussichtsreich.

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Wien - Sollte das Bundesvergabeamt (BVA) zum Schluss kommen, dass die ÖBB mit ihrem nicht EU-weit ausgeschriebenen Architektenwettbewerb für den neuen Stadtteil "Bahnhof City" rund um den Hauptbahnhof Wien das Vergaberecht verletzt haben, dann wäre eine Neuausschreibung notwendig, sagt der BVA-Vorsitzende Michael Sachs. Die Chancen dafür stehen nach Meinung führender Vergaberechtsexperten gut.

Wie der STANDARD am Wochenende exklusiv berichtet hatte , hat eine Arbeitsgemeinschaft von knapp 50 in- und ausländischen Architektenbüros beim BVA eine Nachprüfung beantragt. Zusätzlich hat das renommierte norwegische Büro Snohetta AS einen Einzelantrag gestellt. Sie argumentieren, dass die ÖBB Immobilienmanagement GmbH, eine 100-Prozent-Tochter eines Staatsbetriebs, dem Bundesvergabegesetz (BVergG 2006) unterliegt und der Wettbewerb daher EU-weit ausschreiben hätte müssen. Stattdessen wurden nur acht Architektenbüros zu einem Wettbewerb eingeladen.

Nach dem BVergG sind öffentliche Auftraggeber und Auftraggeber in bestimmten Wirtschaftssektoren wie Straße oder Schiene an das Vergabegesetz gebunden, kommerziell agierende Töchter von Staatsbetrieben aber nicht.

Vom STANDARD befragte Experten vermuten eine versuchte Umgehung des Vergaberechts durch die Ausgliederung in eine Tochter, die allerdings bei geschickter Strukturierung vor den Berufungsstellen halten könnte.

Die Vergaberechtsanwältin Kathrin Hornbanger sieht in der Causa einen spannenden Grenzfall: "Wenn die Immobilienmanagement GmbH eine Sektorentätigkeit ausübt und für die ÖBB agiert, dann wäre sie ein öffentlicher Auftraggeber und müsste ausschreiben - nicht aber, wenn sie ganz normal am Markt tätig ist." Auch wenn mehr als 50 Prozent der Finanzierung des Projekts von der öffentlichen Hand kämen, wäre eine Ausschreibung notwendig.

Für den Anwalt Stephan Heid ist die Antwort auf diese Fragen klar: "Es handelt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um einen öffentlichen Auftragsgeber oder allenfalls einen Sektorenauftraggeber, der einen EU-weiten Wettbewerb hätte durchführen müssen", sagt er. Ein Schwachpunkt des Nachprüfungsantrag sei allerdings, dass die Antragsteller plausibel machen müssen, dass sie am Auftrag tatsächlich interessiert sind. "Eine Arbeitsgemeinschaft von 50 Büros würde sich niemals an der Ausschreibung beteiligen - das könnte sich als Stolperstein erweisen", warnt Heid.

Kritisch ist auch der sehr knappe Fristenlauf bei der Bekämpfung von Vergabeentscheidungen. Dabei spielt es eine Rolle, wann die Antragsteller vom Wettbewerb erfahren haben und realistischerweise erfahren konnten. Da die ÖBB dies nicht öffentlich gemacht hat, war die einzige Quelle die Berichterstattung im Standard - vor allem für ausländische Büros keine Pflichtlektüre.

Eine Rolle spielen könnte der jüngste Fall vor dem EuGH zur Fernwärme Wien (C-393/06), bei dem der Generalanwalt im November eine strikte Auslegung der Vergaberegeln bei öffentlichen Auftraggeber, die auch kommerziell tätig sind, gefordert hat.

"Staatsnähe" nicht alles

Wenig überzeugt vom Standpunkt der antragsstellenden Architekten ist Michael Hecht, Partner bei Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte in Wien. Die bloße "Staatsnähe" alleine mache Unternehmen noch lange nicht zu öffentlichen Auftraggebern im Sinne des BVergG.

Hecht dazu: "Dass die Gewinne eines Unternehmens an den Gesellschafter - in diesem Fall die ÖBB Infrastruktur Bau AG - fließen, ist eine Selbstverständlichkeit. Es ist schon richtig, dass die überwiegende Finanzierung oder Leitung durch einen anderen öffentlichen Auftraggeber mit ausschlaggebend dafür ist, ob das Unternehmen ein öffentlicher Auftraggeber ist. Dieser Umstand alleine aber ist bedeutungslos, solange das Unternehmen nicht zum Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die noch dazu nicht gewerblich sein dürfen."

Diese besonderen Zwecke liegen laut Hecht im vorliegenden Fall nicht offenkundig vor: Wäre die bestmögliche Bewirtschaftung und Verwertung von Liegenschaften immer eine öffentliche Aufgabe, dann wäre die gesamte Immobilienbranche ein einziges öffentliches Unternehmen. "Die Forderung nach einer Anwendbarkeit der Vergabebestimmungen scheint hier geradezu überbordend zu sein. Würde jedes im weiteren Sinne staatliche Unternehmen vergabepflichtig, so wäre dies für einen vergaberechtlich ohnehin überreglementierten Markt eine Katastrophe." (Eric Frey/DER STANDARD, Printausgabe, 16.1.2008)