Männliche Sumpfammern setzen ihre Gesangskunst auch zur Verteidigung ihres Reviers ein. Dafür hören sie den Rivalen zuerst zu, um postwendend mit einem imitierenden Gesang zu antworten.

Foto: Rob Lachlan

London - Warum Singvögel so gut singen können, hat mehrere Gründe. Unter anderem dient der Gesang zum Anlocken von potenziellen Partnern - indem er Weibchen Hinweise auf Leistungsfähigkeit und Gesundheitszustand eines Bewerbers gibt.

Vor allem aber dient das artspezifisch erlernte Gezwitschere der Revierverteidigung. Es gibt sogar einen eindeutigen Zusammenhang zwischen ihrer Gesangsbegabung und der Intensität ihres Revierverhaltens: Vogelarten wie die Amsel, die Singdrossel oder eben die Nachtigall zeigen sich gegenüber ihren Artgenossen ziemlich aggressiv - und können eben auch besonders komplizierte Dinge (nach-)singen.

Der Gesang zur Territorialverteidigung besteht nämlich im Normalfall aus einer Imitation: Wenn sich ein Eindringling hören lässt, antwortet der Vogel, dem das Revier "gehört", mit einer Melodie, die ganz ähnlich der des Eindringlings ist, der sich dadurch als solcher erkannt fühlen darf. Nachtigallen zum Beispiel sind wahre Meisterinnen der Nachahmung. Sie können 60 verschiedene Gesänge imitieren, die man ihr zuvor nur ein paar Mal vorgespielt hat.

Weiß die Verhaltensbiologie alles Mögliche über den Gesang der Vögel, so waren die neurophysiologischen Grundlagen dieser erstaunlichen Kommunikationsleistungen bislang völlig unklar. Doch nun warf ein Team von Neuro- und Verhaltensbiologen der Duke Universität in Durham/North Carolina Blicke ins Hirn von Sumpfammern - und stieß dabei auf Erstaunliches, wie Jon Prather und Kollegen in der aktuellen Ausgabe der britischen Wissenschaftszeitschrift "Nature" (Bd. 451, S. 305) berichten.

Sprach-Spiegelneuronen

Im Vorderhirn der im östlichen Nordamerika heimischen Vögel entdeckten die Wissenschafter nämlich Nervenzellen, die sowohl dann aktiv sind, wenn die Vögel hören, als auch dann, wenn sie selbst singen. Womit diese Nervenzellen eine verblüffende Ähnlichkeit mit den sogenannten Spiegelneuronen haben, die der italienischen Forscher Giacomo Rizzolatti 1996 in den Gehirnen von Affen entdeckt hat.

Das Besondere dieser Nervenzellen, die zuerst im Gehirn von Makaken, dann aber auch beim Menschen gefunden wurden: Für Spiegelneuronen sind Betrachtungen eines Vorgangs - wie zum Beispiel Zungezeigen - und das Durchführen der Aktivität gleich bedeutend. Durch sie wird Imitation möglich - eine zentrale und einigermaßen rätselhafte Form des Lernens.

Die nun entdeckten "Imitations-Neuronen" spielen eine ganz ähnliche Rolle bei der akustischen Kommunikation der Sumpfammern. Die Reaktion dieser Nervenzellen fällt nämlich beim Hören der Vögel ganz ähnlich aus wie beim Singen. Sie wirken also sowohl als "Kontrollmonitor" für das Selbst-Gesungene mit, wie sie auch helfen, den Gesang eines Vogelnachbarn darauf hin zu vergleichen, ob er eine Antwort auf den eigenen Gesang darstellt oder nicht.

Wie Prather und seine Kollegen zeigen, sind diese Nervenzellen mit jenen Bereichen im Gehirn der Sumpfammer verbunden, die für das Lernen zuständig sind. Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass ganz ähnliche Sprach-Spiegelneuronen auch im Menschenhirn existieren müssen, wo sie eine wichtige Rolle beim schnellen Verschlüsseln und Entschlüsseln von sprachlicher Information spielen sollten. (Klaus Taschwer/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 1. 2008)