Auf Anordnung des israelischen Verteidigungsministers Ehud Barak wurden am Freitag die Übergänge geschlossen, durch die der Gazastreifen mit Lebensmitteln und anderen wichtigen Gütern versorgt wird. In den vergangenen Monaten waren schon die Treibstoff- und Stromlieferungen aus Israel gedrosselt worden. Die israelische Führung sieht sich täglich bitteren Vorwürfen der Menschen in den Grenzorten ausgesetzt, wo seit Dienstag rund 150 palästinensische Raketen und Granaten eingeschlagen hatten und das Leben beinahe zum Stillstand gekommen ist. Am Freitagvormittag landeten wieder sechs Raketen in dem Städtchen Sderot und dessen Umgebung.
Am Donnerstagabend war Ehud Olmert zu einem Solidaritätsbesuch in Sderot aufgetaucht, der erst nachträglich publik gemacht wurde, weil die Anwesenheit des Premiers vermutlich noch stärkeres Raketenfeuer angezogen hätte. „Wir werden weiter in einer Weise handeln, die einen so hohen Preis verlangen wird, dass sie zögern werden, bevor sie sich entscheiden, weiter so herumzutoben“, sagte Olmert in Richtung Hamas. Israel hatte in den letzten Tagen zahlreiche Luftschläge und Bodenvorstöße unternommen, durch die rund 30 Palästinenser, unter ihnen auch einige Zivilisten, getötet wurden.
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNRWA und der israelischen Armee bewirkte die Sperre zunächst, dass am Freitag 20 Lastwagen mit Lebensmitteln nicht passieren konnten. Am Samstag sind die Passagen ohnehin immer geschlossen, und am Sonntag soll die Lage neu bewertet werden. Nach israelischen Angaben gibt es im Gazastreifen keine unmittelbare Gefahr einer Hungersnot, und man wolle auch keine humanitäre Krise auslösen. Die neue Regelung bedeute aber, dass nun jede Lieferung der ausdrücklichen Genehmigung Baraks bedürfe. Wenn etwa Milch im Gazastreifen knapp würde, werde man einen Milchtransport durchlassen.
Rücktrittsgerücht um Abbas
Die Hamas gab sich weiterhin kämpferisch, während Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Israelis für den Stillstand im eben erst angelaufenen Friedensprozess verantwortlich macht und laut Jerusalem Post sogar an Rücktritt denkt. In Israels innenpolitischer Arena zeigt sich hingegen ein kleiner Silberstreif für Olmert. Eine israelische Fernsehstation will erfahren haben, dass der Abschlussbericht über den Libanon-Krieg vom Sommer 2006 für den Premier nicht ganz so ungünstig ausfallen wird, wie er befürchten musste. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2008)