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In der Spittelauer Anlage wird seit Anfang der Siebziger Restmüll verbrannt

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Den Brand Ende der Achtziger nutzte man nicht nur zur äußerlichen Verkitschung durch Friedensreich Hundertwasser, sondern auch zur technischen Aufrüstung

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Wien - Carola Röhrich ist sauer. "Das ist schon ein starkes Stück, dass die Stadtregierung jetzt so tut, als hätte es bei uns nie Proteste gegen Müllverbrennungsanlagen gegeben", sagt die Wienerin, die seit zwanzig Jahren gegen die Anlage am Flötzersteig im 16. Bezirk kämpft. Röhrich und ihre Mitstreiter von der Bürgerinitiative schicken regelmäßig Anfragen an Politiker und veranstalten Diskussionsrunden zum Thema Müllverbrennung. "Unsere Bürgerinitiative protestiert vielleicht nicht so temperamentvoll gegen Flötzersteig und Spittelau wie die Neapolitaner derzeit gegen die Wiederöffnung der Deponie, dass wir es aber einfach so hinnehmen, dass kann man aber wirklich nicht behaupten."

Anfang der Woche ließ sich eine Delegation aus Florenz die Fernwärme-Anlage Spittelau zeigen, auch die Stadtverwaltung in Neapel, die derzeit gegen einen gewaltigen Müllberg kämpft, hat angekündigt, Experten nach Wien zu schicken, die sich vor Ort anschauen, wie Wien seine Abfälle halbwegs umweltschonend los wird. Im europäischen Vergleich agiert die österreichische Hauptstadt in Sachen Müllentsorgung vorbildlich.

"Dreckschleuder"

Dass alles, was 1,6 Millionen Menschen täglich in die Restmüll-Tonne schmeißen, im Stadtgebiet verbrannt wird, ist aber auch in der Donaumetropole nicht unumstritten. "Die alte Dreckschleuder Flötzersteig gehört dringend zugesperrt", sagt Rüdiger Maresch, Umweltsprecher der Wiener Grünen. "Es wurden dort zwar nachträglich einige Filter eingebaut, das ändert aber nichts daran, dass die Technologie aus den Siebzigern stammt."

Auch die zweite Wiener Müllverbrennungsanlage ist nicht mehr ganz neu: 1971 erbaut, brannte die Spittelauer Anlage allerdings Ende der Achtziger ab. Ein Umstand, den man nicht nur dazu nutzte, ihre Fassade von Friedensreich Hundertwasser optisch aufmotzen zu lassen, sondern auch dazu, sie technisch auf den neuesten Stand zu bringen.

Müll-Import

Inzwischen ist die dritte Müllverbrennungsanlage in Bau. Rund 500.000 Tonnen Restmüll, der verbrannt werden kann, produzieren die Wiener derzeit im Jahr, da die beiden bereits bestehenden Anlagen 430.000 Tonnen Müll in Wärme - beziehungsweise Schlacke, die auf der Deponie landet - umwandeln, fürchten Umweltschützer, dass es durch die neue Anlage zu einer Überkapazität kommen könnte. "Das ist unsere Hauptsorge", sagt Herwig Schuster von Greenpeace. "Denn das erhöht einerseits den Druck, Müll zu produzieren, könnte andererseits aber auch bedeuten, dass künftig Müll aus anderen Ländern importiert wird." Laut Karl Wögerer sind diese Ängste unbegründet: "Wien wächst in den nächsten Jahrzehnten so stark, dass wir eine dritte Müllverbrennungsanlage brauchen werden. Wir werden bestimmt keinen Müll importieren müssen", sagt der Sprecher von Umweltstadträtin Ulli Sima.

Schwieriger Kampf

Dass eine neue Müllverbrennungsanlage erst einmal zu groß ist, ist auch für Paul Brunner, Vorstand des Instituts für Ressourcenmanagement und Abfallwirtschaft der TU keine große Sache: "Man kann ja eine Anlage, die die nächsten 20 Jahre arbeiten soll, nicht so konzipieren, dass sie zum heutigen Zeitpunkt gerade groß genug ist", sagt der Wissenschafter, der vor kurzem nach Neapel reiste, um die Stadtverwaltung abfalltechnisch zu beraten. Ein Argument, dass der Grüne Umweltsprecher Maresch nicht gelten lassen will: "Wenn mehr Müll verbrannt werden muss, wird auch weniger recycled".

Den Kampf von Bürgern gegen innerstädtische Restmüllverbrennung erschwert auch der Umstand, dass eine umfassende Schadstoffanalyse bisher fehlt: "Niemand weiß, was aus den Schloten genau herauskommt. Eine solche Studie wäre sehr aufwändig und kostspielig", sagt Greenpeace-Mann Herwig Schuster. (Martina Stemmer, DER STANDARD Printausgabe, 19.1.2008)