Franz Fally

Nachdem sich die Berichterstattung über die schweren Verkehrsunfälle in den Gegenverkehrsabschnitten der Westautobahn in den vergangenen Tagen vorwiegend mit Fragen der Verkehrssicherheit befasste, ist zu befürchten, dass man bald wieder zur Tagesordnung übergeht und der eigentliche Grund für die vielen Staus und Unfälle auf der A1 in Vergessenheit gerät.

Tatsächlich wäre diese Misere nämlich vermeidbar gewesen, hätte man rechtzeitig - bereits Anfang 1990, als nach dem Fall des Eisernen Vorhangs die Verkehrsflüsse in Richtung Ost-West dramatisch anstiegen - die erforderlichen Ausbauschritte gesetzt. Die Verkehrszunahme auf der A1 betrug seit damals bis zu 10 Prozent pro Jahr: Dass eine derartige Überbelastung mehr Staus und Unfälle provoziert, war also absehbar.

Es gab allerdings nur wenige Mahner, die auf die große Gefahr durch eine verspätete Sanierung aufmerksam machten, darunter die Österreichische Gesellschaft für Straßen-und Verkehrswesen und kürzlich auch das Österreichische Kuratorium für Verkehrssicherheit. Leider hat man auf diese Leute nicht gehört.

Das Ende ...

Den für den Verkehr verantwortlichen Ministern hätte jedenfalls bereits damals klar sein müssen, dass die Westautobahn - so wie das unsere deutschen Nachbarn auf vielen vergleichbaren wichtigen Strecken getan haben - raschest auf drei Spuren je Fahrtrichtung erweitert werden muss.

Stattdessen gab man sich der Illusion hin, durch einen "Ausbau" der Schiene könnte ohnehin mit dem bestehenden Autobahnnetz das Auslangen gefunden werden (so eine entsprechende Anmerkung im "Masterplan" des früheren Verkehrsministers).

Das Credo der vergangenen 10 Jahre lautete: Keine neuen Schnellstraßen, keine zusätzlichen Spuren, nur mehr "Lückenschlüsse". Gleichzeitig versuchte man der Bevölkerung mittels Millionenwerbung einzutrichtern, ein Bahnausbau könnte die Probleme des Straßenverkehrs lösen ("Schiene statt Verlehrslawine") Die Ergebnisse dieser fatalen Strategie sind ernüchternd: Der Straßenverkehr nahm weiter zu (s.o.), und die gewünschte Verlagerung von der Straße auf die Schiene ist weder beim Güter-, noch beim Personentransport eingetreten; der mit Milliardenaufwand eingeführte "Austrotakt" erwies sich als gigantischer Flop; die Investitionen in den Bahnausbau (bisher bereits über 110 Mrd. S) blieben ohne nennenswerte Auswirkungen auf den Verkehr.

Beispiele: Der 2 Mrd. S teure Galgenberg-Tunnel bringt ganze zwei Minuten Zeitersparnis, die Auslastung der 24 Personenzüge, die auf der Neubaustrecke Parndorf-Kittsee verkehren (Kostenpunkt rund 2 Mrd. S) ist völlig unbefriedigend.

Nun wurde in der Diskussion um die Westautobahn in den vergangenen Tagen immer wieder ins Treffen geführt, dass es an entsprechenden Mitteln fehle, obwohl die Kosten für deren Gesamtsanierung erst kürzlich von der ASFINAG mit der - im Vergleich zu den hohen Bahninvestitionen relativ geringen - Summe von 7 Mrd. angegeben wurden.

Wie krass das Missverhältnis in der Investitionspolitik ist, wir deutlich, wenn man bedenkt, dass allein für die zweite Phase des Bahnausbaus 1996 143 Mrd. S beschlossen und erst vor zwei Wochen weitere 40 bis 60 Milliarden verlangt wurden.

... einer Illusion

Die nach der letzten Wahl getroffene Entscheidung, gegen die Rivalität Straße/Bahn etwas zu unternehmen und ein gemeinsames Infrasturkturministerium zu schaffen, ist zwar erfreulich, kommt aber zu spät. Zudem hat man bis jetzt den Eindruck, dass man es weiterhin vorzieht, getrennt zu agieren. Auch der längst angekündigte Bundesverkehrswegeplan lässt immer noch auf sich warten.

Zum Vergleich: Deutschland hat aus den Fehlern beim Bahnausbau längst die Konsequenzen gezogen, indem die Verkehrspolitik primär darauf zielt, bestehende Strecken zu modernisieren und vor allem die Wirtschaftlichkeit der Bahn zu verbessern.

Bei uns hingegen hält man noch immer an Streckenneubauten fest (nach dem "Masterplan" wären dies über 500 km, davon rund 150 km reine Tunnelstrecken); die erforderlichen Kosten in Höhe von 300-400 Mrd. müssten wir zum Großteil unseren Kindern zur Rückzahlung überlassen.

Bleibt nur zu hoffen, dass man endlich erkennt, welch unrealistische Ausbaustrategie man jahrelang verfolgt hat und dass man aus den Versäumnissen der Vergangenheit die richtigen Schlüsse für die Zukunft zieht.

Franz Fally ist Sprecher der Vereinigten Bürgerinitiativen gegen den Bau des Semmering-Bahntunnels