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Premierenerfolg im Theater an der Wien mit Poulencs "Dialoge der Karmeliterinnen". Blanche (Sally Matthews, re.) flieht in den Karmel zu dessen Priorin (Marjana Lipovsek).

Foto: APA/Pfarrhofer
Die Aufführung von Francis Poulencs Oper erhielt zu Recht jubelnden Beifall.

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Wien - Wer heute unter Ängsten leidet, sucht einen Psychologen auf, zur Zeit der Französischen Revolution suchte man seinen Seelenfrieden im Kloster. Auch wenn dieser nicht von langer Dauer war. In Francis Poulencs Oper Dialogues de Carmélites landen die frommen Nonnen unter der Guillotine.

Auch Blanche, die zentrale Gestalt des Werkes, die von Ängsten geplagt in den Karmel eintritt, nach der Säkularisierung des Klosters zwar das Gelübde ablegt, für den Gauben sterben zu wollen, dann aber doch in das Haus des mittlerweile hingerichteten Vaters flieht.

Als die Nonnen dann aber nacheinander den Richtplatz besteigen, schließt sich Blanche als Letzte freiwillig an. Sie hat ihre Angst endgültig überwunden.

Francis Poulenc (1899-1963) verfasste das Libretto nach dem gleichnamigen Drehbuch von George Bernanos, das, zum Bühnenstück bearbeitet, unter dem Titel Die begnadete Angst nach dem Zweiten Weltkrieg auch in die Spielpläne deutscher Bühnen Eingang gefunden hat. Dies alles basiert auf Gertrud von Le Forts Novelle Die letzte am Schafott aus dem Jahr 1931.

Musikalische Klarheit

Zur Vertonung des 1957 an der Mailänder Scala uraufgeführten Werkes verwendet Poulenc einen um klare Formulierung bemühten Stil, der die die einzelnen Stationen des Werkes charakterisierenden Themen und deren sehr sensibel gewählte orchestrale Einfärbung auszeichnet.

In jedem Ton wird auch in diesem Werk spürbar, dass Poulenc, der der sich um Jean Cocteau und Eric Satie scharenden "Group de six" angehörte, die in einer gewissermaßen antiromantischen Attitüde alles schwulstig Sentimentale zugunsten luzider Übersichtlichkeit zu vermeiden suchte.

Die griffigen Gassenhauermelodien, zu denen Poulenc in anderen Werken mitunter greift, verbietet die Thematik dieses Werkes. Doch die zielsichere, an Kurt Weill erinnernde Präzision im Detail bleibt stets präsent.

Dazu war Bertrand de Billy in jedem Fall der berufene Dirigent. Er hat das Wiener Radiosymphonieorchester offenbar zu einem klingenden Chamäleon erzogen, das nun vielen stilistischen Anforderungen gerecht wird, so auch dem in unseren Breiten eher fremden, in der französischen Musik des 20. Jahrhunderts jedoch stark spürbaren Hang zur unsentimentalen Objektivierung.

Vor allem die Akkuratesse, mit der die Holzbläser diesmal agierten, kam dieser Aufführung ebenso zugute wie die rhythmische Beweglichkeit der auch orchesterintern bestens koordinierten Abläufe.

Auch zwischen der düsteren Grundstimmung von Poulencs Musik und dem immer wieder durchschimmernden Virtuosentum des kenntnisreichen Weltbürgers hat diese Wiedergabe stets das Gleichgewicht gehalten. Auch den in einer Art von ästhetisch ziemlich problematischen Todesbolero endenden Schluss des Werkes, vermochte de Billy durch größtmögliche Ökonomie in der Dynamik zu veredeln.

Nicht minder heikel ist es, dieses fast ausschließlich in Dialogen ablaufende Werk szenisch zu fassonieren. Vor allem in der Guillotine-Szene des Schlussbildes bieten sich den einfacher gestrickten Gemütern szenischer Gestalter Lösungen von nicht ausdenkbarer Abscheulichkeit an.

Besonders erfreulich ist es, dass Robert Carsen all diesen Versuchungen mit robuster Widerstandskraft begegnet ist. Immerhin hat er in Österreich schon zwei Strauss-Opern - 1999 Die schweigsame Frau an der Staatsoper und 2004 den Rosenkavalier bei den Salzburger Festspielen - in den Sand gesetzt.

In diesem Fall ist Carsen ein szenischer Wurf gelungen, den man nach diesen Vorleistungen nicht erwartet hätte. In einem von Michael Levine in karger Stimmigkeit gestalteten, in der Hauptsache auf kahlen Stoffbahnen bestehenden düsteren szenischen Ambiente minimalisiert er auch die Aktionen so weit wie möglich.

Einzig die Sterbeszene der Priorin, in der Marjana Lipovsek mit all ihrer szenischen und vor allem auch musikalischen Intensität die notwendige Beklommenheit aufkommen ließ, geriet zu einem prophetischen Epizentrum des Werkes: Die Priorin sieht nämlich im Verlauf ihres qualvollen Todes die Verwüstung des Klosters voraus.

Zur gütigen Interpretation gerade eines inhaltlich so spartanischen Werkes bedarf es natürlich auch Protagonistinnen von hoher szenischer und auch musikalisch deklamatorischer Präsenz. Sally Matthews machen diese beiden Tugenden zu einer geradezu vollendeten Blanche, die ihre Ängste tatsächlich in Musik verdichtet. Auch Jean-Philippe Lafont als ihr Vater und Yann Beuron als ihr Bruder sind starke Akteure.

Patricia Petibon brilliert als Schwester Constance, Heidi Brunner und Michelle Breedt waren ihr ebenbürtig. (Peter Vujica/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21. 1. 2008)