Im Wiener Straflandesgericht ist am Montag der Prozess in der Visa-Affäre fortgesetzt worden, in dem sich der ehemalige Vize-Konsul an der Botschaft in Budapest und fünf Mitangeklagte wegen Amtsmissbrauchs, Bandenbildung und Schlepperei zu verantworten haben. Dabei zeigte sich, dass der schwunghafte Handel mit illegalen Schengen-Visa nicht an die Personen des Vizekonsuls oder seines unmittelbaren Vorgesetzten, des inzwischen verstorbenen Generalkonsuls, gebunden war.

Der langjährige "Geschäftspartner" des Generalkonsuls, ein serbischer Ex-Polizist, gab zu, es nach dessen Pensionierung ohne seine Hilfe geschafft zu haben, weiteren 82 serbischen Staatsangehörigen mit fingierten Einladungsschreiben und vorgetäuschten Verpflichtungserklärungen die begehrten Visa verschafft zu haben: Der gewitzte Ex-Polizist gründete schlicht und einfach zum Schein eine Firma in Wien-Landstraße, die sogar auf seinen Namen lautete, und setzte für seine "Kunden" die erforderlichen Papiere auf.

Diese reichte er dann an der österreichischen Botschaft in Sarajevo ein, wobei für die Interessenten sogar Busfahrten von Belgrad nach Bosnien organisiert wurden. Sämtliche 82 Visa-Werber, die auf diese Art und Weise im Zeitraum März bis November 2003 dort vorstellig wurden, gelangten in den Besitz der ersehnten Einreisepapiere, wobei Staatsanwalt Friedrich Alexander Koenig den Mitarbeitern der österreichischen Vertretung zu gute hält, sich nicht wissentlich am Schwindel beteiligt und sich damit keines Verbrechens schuldig gemacht zu haben: Die Anträge seien nicht eingehend genug geprüft worden, die Konsularabteilung folglich "sorglos" vorgegangen.

Geld eingesteckt

Formal seien seine Einladungen und Verpflichtungserklärungen richtig gewesen, "aber sie wurden alle zu einem anderen Zweck verwendet", gab der serbische Ex-Polizist zu, die Botschaft in Sarajevo überlistet und sich damit der Schlepperei schuldig gemacht zu haben. Da er zu diesem Zeitpunkt auf den Generalkonsul nicht mehr angewiesen war, dem er pro Visum 400 Euro überlassen hatte, konnte er sich die 1.100 bis 1.300 Euro, die er für jeden widerrechtlich erlangten Sichtvermerk in Rechnung stellte, großteils behalten.

Nur mehr Dolmetscher und Chauffeure mussten davon bezahlt werden, wobei diese mit geringen Beträgen "abgespeist" wurden. Dem Staatsanwalt zufolge dürfte der Ex-Polizist mit dem Visa-Schwindel über 320.000 Euro verdient haben, weshalb er die in der Anklageschrift beantragte Abschöpfungssumme von 175.000 Euro entsprechend erhöhte.

Beute "teuer erkauft"

Wie der auf die schiefe Bahn geratene Gesetzesdiener in seiner Einvernahme unterstrich, sei die ihm angelastete "Beute" einerseits ein wenig zu hoch gegriffen, andererseits teuer erkauft worden: Als die Visa-Affäre aufflog, wurde der gebürtige Serbe in Wien in U-Haft genommen, wo er sieben Monate absaß. Während dieser Zeit erkrankte sein Vater an Krebs. "Der U-Richter hat mir nicht erlaubt, meinen sterbenden Vater zu besuchen. Ich konnte auch nicht auf das Begräbnis gehen", stellte der 36-Jährige fest.

Der Staatsanwalt erwiderte, das sei "persönlich tragisch", aber gesetzlich gedeckt gewesen: "Sie waren damals nicht geständig, haben sich als Opfer einer Verwechslung bezeichnet. Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr waren in Ihrem Fall anzunehmen. Das Vorgehen der Justiz war daher bei einem möglichen Strafrahmen von bis zu zehn Jahren durchaus verhältnismäßig."

Prozessfahrplan

Am Ende des heutigen Verhandlungstags wurde der weitere Prozessfahrplan festgelegt, wobei der Ankläger und die Verteidiger im Hinblick auf die geständige Verantwortung von fünf der sechs Angeklagten auf eine ganze Reihe von Zeugen verzichteten. Am kommenden Mittwoch sind Vertreter aus dem Außenministerium geladen, am darauf folgenden Freitag drei Beamte des Büros für Interne Angelegenheiten (BIA), die in dieser Causa intensiv ermittelt hatten, sowie ein früherer, vom Generalkonsul "abgesägter" Mitarbeiter an der Konsularabteilung in Belgrad.

Am 28. Jänner sollen mehrere langjährige Mitarbeiter an der Botschaft in Budapest angehört werden. Dabei dürfte es vor allem um Fragen gehen, wie der Visa-Schwindel dem Außenamt jahrelang verborgen bleiben konnte. Für den 30. Jänner sind unter anderem die Einvernahmen von drei anonym geführten Zeugen vorgesehen, die dem Vernehmen nach Details über die inkriminierten Machenschaften preisgeben wollen.

Aus heutiger Sicht erscheint es denkbar, dass die Verhandlung bereits am 8. Februar und damit zwei Wochen früher als ursprünglich angenommen geschlossen werden kann. Die Urteilsverkündung würde damit am selben Tag stattfinden wie jene im parallel laufenden BAWAG-Prozess. (APA)