Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat das Presserecht gestärkt und insbesondere die Anforderungen für den Abdruck von Gegendarstellungen bei mehrdeutigen Formulierungen hochgeschraubt. Ansonsten würde die Presse mit Gegendarstellungsansprüchen überhäuft und "zu einer starken Zurückhaltung in ihrer Berichterstattung" veranlasst, heißt es in einem am Dienstag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss. Dies aber würde dem Ziel der Medien widersprechen, mit ihrer Berichterstattung "auf ein hohes Maß an Informiertheit der Öffentlichkeit hinzuwirken".

Im konkreten Fall hatte das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt, weil es zum Abdruck einer Gegendarstellung in einem Fall gezwungen worden war, der 2004 Rechtsgeschichte gemacht hatte. Damals war Anneliese B. vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main zur Rückzahlung von 35,7 Millionen Euro an den Staat verurteilt worden, die sie als Entschädigung für ein im Zweiten Weltkrieg angeblich verlorenes Aktienvermögen erhalten hatte.

Der "Spiegel" hatte unter anderem geschrieben: "Immer wenn im Hause B. das Geld knapp wurde, fanden sich auf wundersame Weise neue Belege für stattliche Wertpapierdepots." Die Verfassungshüter sahen in dem Artikel aber keinen Anlass für eine von der Frau betriebene Gegendarstellung. Sie sei erst zulässig, wenn sich aus dem Zusammenspiel einer offenen und einer verdeckten Aussage dem Leser eine "unabweisbare Schlussfolgerung" aufdrängt. Das Oberlandesgericht Hamburg hatte dagegen die Auffassung vertreten, dass sich die Presse bei Veröffentlichungen "grundsätzlich jede nicht fern liegende Interpretationsmöglichkeit" eines Berichtes anrechnen lassen müsse.

Die Verfassungshüter verwiesen auch auf den "schwer ausgleichbaren Imageschaden", den der Abdruck einer Gegendarstellung bewirken könne. Solch ein Abdruck könne bei den Lesern Zweifel und Misstrauen auch gegenüber einer wahrheitsgemäßen Berichterstattung wecken, die sich nachträglich kaum mehr beseitigen ließen, heißt es in dem Beschluss. Nach Ansicht der Richter dürfen Redaktionen selbst nicht abgeschlossene Recherche-Ergebnisse veröffentlichen. Deshalb könne auch Raum für Mutmaßungen bleiben. (APA/AFP)