Die Debatte um den Schleier spiegelt die veränderte Selbstdarstellung muslimischer Frauen und die damit verbundenen Spannungen in der Öffentlichkeit wider. Trotz teils kaum miteinander in Beziehung stehender politischer Zusammenhänge evoziert die Verschleierung unzählige Fragen wie Vermutungen und Fehlinterpretationen zu Religion und Säkularismus, Frömmigkeit und Politik, Feminismus und Islamismus. Die Verhüllung, die besondere Rolle des weiblichen Körpers und strenge Privatisierung der Sexualität der Frau im Islam deutet auf die scharfe Grenzziehung zwischen akzeptiertem und verbotenem Verhalten, zeugt jedenfalls von Kompatibilitätsproblemen islamischer wie westlicher Vorstellungen von öffentlichem Leben.
Wie facettenreich dabei die Bedeutung des Schleiers sein kann, zeigt die Installation Women Who Wear Wigs von Kutlug Ataman: Verkleidung, religiöser Zwang, freiwilliges Bekenntnis, identitätsstiftendes Accessoire, Blickschutz, Ausweis für die Zugehörigkeit zu Traditionen, Signal offen vorgetragenen Andersseins. Die Differenzen zwischen Intimität und Öffentlichkeit, Verstecken und Zeigen, Verbergen und Sehen, sowie die Akzeptanz und bzw. rabiate Ablehnung dieses Bekleidungsstückes werden in der Schau Mahrem von neun Künstlern ausgelotet, nachgegangen wird ebenso dessen ethischer wie ästhetischer Dimension.
Eine der Künstlerinnen, Bruna Esposito, meint: "Wie Blütenblätter sich öffnen und schließen, um das wertvolle zarte Zentrum zu schützen und zu enthüllen. Sind die Schleier wie Blütenblätter, oder werden sie zusehends zum Thema einer allgemeinen Paranoia? Weltweites Symbol nur einer Streitfrage. Ich mache Blumen und gebe sie Leuten. Das hilft. Das hilft mir zumindest, meine Sorge zu überwinden. Meine Sorge um das Paradox eines doppelten Verbots, das teils aus dem Westen und teils aus dem Osten kommt."