Franzobel, Schriftsteller in Wien, schreibt bis zur und während der EURO wöchentlich im STANDARD.

...der Fußballbegriffe stattgefunden, plötzlich spricht man vom Tunneln, wozu man früher Gurkerl sagte. Auf einmal gibt es eine linke Außenbahn, womit man Pferderennen assoziierte, aber keine Linksverbinder mehr. Corner, Penalty, Goalie, Referee und Käpt'n wurden eingedeutscht, wobei sich für Letzteren Kapitän durchgesetzt hat, was besser ist als Spielführer.

Früher konnte ein Spiel rinnen oder tröpfeln, ein schlechter Spieler hieß Hydrant, Blinder oder Torstangenbewässerer, es gab Wamperte, Abzwickte oder Gestauchte, Pfosten oder Krätzen, Dribblanskis, Holzgeschnitzte und Schwindlige, die einer Haut, Wuchtel oder Frucht nachjagten, um zu zangeln, zu häkeln, einen Eisenbahner zu machen, anzurauchen, abzustauben, den Gegner zu panieren. Früher sprach man von Scheiberlspiel, Häuslkick oder einer g'mahten Wiesen, gab es Steirertore, Bloßfüßige und geschobene Partien. Heute sind diese sprachlichen Nuancen fast verschwunden, raucht niemand mehr mit einer Fetten an, macht einen Bananenschuss, eine Kerze oder gar einen Jud, so nannte man im Wienerischen einen Spitz. Ob dieser Ausdruck antisemitischen Ursprungs ist, weiß ich nicht, vermute es aber. Einzig der Stangl-pass, vom fast bis an die Eckfahne vor gelaufenen Außenstürmer in Richtung Strafraum, wird nach wie vor verwendet. Oder kommt er daher, weil der Pass in Richtung Torstange geschlagen wird? Sollte gar der Kabarettist I. Stangl seine Füße mit im Spiel haben?

Heute gibt es eine Viererkette statt dem Libero, eine VIP-Tribüne statt den Ehrenrängen und eine Coaching-Zone, Spieler dürfen nicht mehr jubeln - oder zumindest nur nach genau festgelegten Richtlinien, und aus der Sprache ist alles Derbe, alles Proletarische, aber auch alles Vulgärpoetische eliminiert, sind doch Redewendungen wie "Der überspielt nicht einmal einen Hydranten" oder "Der hat einen Beistrich in der Hose" ganz wunderbar. Ob diese sprachliche Planierung dem Fußball guttut? Heute spricht man von freien Räumen, Doppelpässen, einnetzen und ausdribbeln, von Spaßfußball und Einsatzfreude. Dadurch verliert der Fußball alles Subversive.

Zwar gibt es in Österreich einen enormen, oft schon unguten Deutschenhass, leben wir immer noch von Cordoba, das in Deutschland längst vergessen ist, doch in der Sprache haben wir verloren, ist alles Österreichische Geschichte. Schade eigentlich. Vielleicht sollten wir mehr Pfitschigogerln? (DER STANDARD PRINTAUSGABE, 22.1. 2008)