Vergangene Woche sind bei der AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) acht Meldungen über vermutete Nebenwirkungen der HPV-Impfung eingegangen. Damit sei die Zahl laut dem zuständigen Bereichsleiter der AGES-PharmMED, Marcus Müllner, auf insgesamt 16 Fälle angestiegen, die Zahl habe somit verdoppelt, wie das Ö1 Morgenjournal heute berichtete. Die Anzahl der Fälle unterscheide sich aber nicht von anderen Ländern weltweit.Müllner hat Daten von der Statistik Austria ausgehoben. Der Experte: "Im Jahr 2006 gab es in Österreich bei 15- bis 20-jährigen Frauen drei unklare Todesfälle - bei insgesamt rund 239.000 Frauen in dieser Altersgruppe. In Deutschland waren es bei 2,3 Millionen Frauen in dieser Altersgruppe 22 solcher Todesfälle. Solche Dinge passieren leider wirklich."

Kein Zusammenhang

Schwindel, Fieber, Ausbleiben der Menstruation - seien mögliche Nebenwirkungen. Bei der jungen Oberösterreicherin, die im Herbst drei Wochen nach der Impfung gestorben ist, sei derzeit kein Zusammenhang zu sehen, meinte Müllner im Morgenjournal.

Überlegt wird jetzt, ob die 19-Jährige nicht an einem sogenannten Long QT-Syndrom (LQT) verstorben ist. Das ist eine genetisch bedingte krankhafte Veränderung von Ionen-Kanälen der Herzmuskelzellen, die zu plötzlich auftretenden tödlichen Arrhythmien führen kann. Ob die junge Frau dafür eine Veranlagung gehabt hat, könnte nur durch einen DNA-Test geklärt werden. Das könnte aber für die Familie wichtig werden, weil sie noch eine zweite Tochter hat. Personen mit einem solchen Risiko können durch Implantierung eines Defibrillators geschützt werden.

Dazu auch der Wiener Impfexperte Wolfgang Maurer (Universitäts-Kinderklinik/AKH) am Mittwoch gegenüber der APA: "Bei ungeklärten Todesursachen kann im Endeffekt in zehn bis 30 Prozent der Fälle ein solches LQT-Syndrom dahinterstecken. Ich sage nicht, dass die 19-Jährige das gehabt hat, aber untersuchen sollte man darauf."

Seit gestern läge der Fall einer Jugendlichen, die an Multiple Sklerose ähnlichen Symptomen erkrankte, bei der AGES, der nach einem Gutachten an die europäische Arzneimittelbehörde berichtet wird.

Stellungnahme der EMEA erwartet

Die europäische Arzneimittelbehörde (EMEA) werde aufgrund der Fälle in Österreich in dieser Woche die Risken und Wirksamkeit der Impfung noch einmal diskutieren. Eine Stellungnahme werde erwartet. Die AGES, die in Österreich für Arzneimittelüberwachung zuständig ist, empfiehlt laut Müllner: Man könne impfen, die Stimmung und Verunsicherung in der Öffentlichkeit stehe in keinem Verhältnis zu den Fakten.

Zu wenig sichere Medikamente für Kinder

Abseits dieser Angelegenheit gibt es in der EU ein besonders wichtiges Thema für die Arzneimittelsicherheits-Spezialisten: Medikamente für Kinder. Marcus Müllner: "Es gibt viel zu wenige Arzneimittel, deren Wirksamkeit und Sicherheit an Kindern untersucht und die für Kinder auch wirklich zugelassen sind." Das resultiert de facto in einer Verwendung von Arzneimitteln "off label", also ohne eigentliche Zulassung. Müllner: "Dieser 'off label'-Gebrauch macht bei Kindern beim niedergelassenen Kinderarzt 40 Prozent aus, im Krankenhaus rund 50 Prozent und auf der Neonatologie sogar mehr als 90 Prozent."

Das führt zu deutlich erhöhten Nebenwirkungsraten: Betragen sie bei für Kinder zugelassenen Arzneimitteln rund 1,5 Prozent (beim Kinderarzt), steigen sie bei Medikamenten ohne eigene Zulassung für Kinder auf drei Prozent. Im Spital werden normalerweise bei drei Prozent der kleinen Patienten Nebenwirkungen registriert, beim "off label"-Gebrauch von Medikamenten in der Klinik gar sechs Prozent. Müllner: "Wir brauchen unbedingt vermehrt klinische Studien mit Kindern." Bei neuen Arzneimitteln soll in der EU in Zukunft von allem Anfang auch deren mögliche Verwendung in der Kinderheilkunde im Rahmen eines "pädiatrischen Entwicklungsplanes" geprüft werden. Zusätzlich will man bald bei jeder Änderung des Zulassungsstatus eines Medikamentes auch Aspekte der Verwendung in diesen Altersgruppen berücksichtigt sehen. (red/APA)