Wenn die EU über Klimaschutz spricht, ist weit weniger heiße Luft im Spiel als bei den Diskussionen auf österreichischer Ebene. Das zeigt das am Mittwoch präsentierte Paket für die Post-Kioto-Phase ab 2013, das freilich noch von den Mitgliedsstaaten und dem Europaparlament ordentlich zerpflückt werden dürfte. Wenngleich das Programm einige Schwachpunkte enthält, scheint der Spagat zwischen Eindämmung der Treibhausgase und Erhalt der Konkurrenzfähigkeit gelungen.

Das gilt vor allem für die Industrie, der es gelang, den ursprünglichen Plänen die Giftzähne zu ziehen. Ihre Auflagen sind mit einer 21-prozentigen Reduktion des CO2-Ausstoßes bis 2020 bei weitem nicht so gering, wie das diverse Umweltschutzgruppen in ihren Aussendungen glauben machen wollen.

Der Aufschrei von Industriekommissar Günter Verheugen, der vor einem "wirtschaftlichen Selbstmord" warnte, sollte nicht als leere Drohung verstanden werden. Die Umweltauflagen stellen die Betriebe heute schon vor eine große Herausforderung. Sie mit übertriebenen Emissionsvorschriften ins Ausland zu drängen schadet nicht nur dem Wohlstand, sondern auch dem Klima, weil die Verlagerung in Regionen mit geringeren Auflagen stattfindet.

Im Detail ist der Industrieteil des EU-Plans allerdings noch ziemlich unrund, sollen doch energieintensive Betriebe vom Zwang zur Ersteigerung der CO2-Zertifikate ausgenommen werden, wenn andere Handelspartner keine adäquaten Maßnahmen zum Klimaschutz beschließen. Erstens stellt sich die Frage, wie die Energieintensität definiert wird, zweitens bleibt unklar, welche Schritte man sich von welchen Wettbewerbern erwartet.

Interessante - und im Vergleich zur nationalen Ebene wohltuende Ansätze - birgt auch das Maßnahmenbündel für den Ausbau der erneuerbaren Energie auf 20 Prozent bis zum Jahr 2020. Hier sticht vor allem der Handel mit "Grünstrom"-Zertifikaten hervor, den Brüssel in Gang setzen will. Das brächte mehr Effizienz, ist es doch je nach wirtschaftlichen und geografischen Kriterien in vielen Fällen wirtschaftlicher, Biostrom zu kaufen, als darin zu investieren. Plastischer formuliert: Windkraft sollte in Gegenden forciert werden, wo nicht nur hin und wieder ein Lüftchen weht; die teure Errichtung von Solaranlagen in lichtarmen Gegenden würde ebenso reduziert wie der Aufbau von Biogasanlagen, denen der Rohstoff fehlt.

Eine derartige Reform der erneuerbaren Energien würde also zu einem wünschenswerten Wettbewerb der Anbieter führen. Und verhindern, dass die hoch subventionierten Unternehmen bei jeder unvorteilhaften Marktschwankung zu Lasten der Verbraucher zum Staat rennen, um höhere Einspeisetarife zu erbetteln. Es darf erwartet werden, dass Deutschland und Österreich mit ihren ebenso ausgeprägten wie ineffizienten Ökostrom-Fördersystemen die EU-Pläne noch heftig durchkreuzen werden.

Die österreichische Position ist ohnehin recht pikant. Vollmundig verkündete die Regierung den Ausbau des Erneuerbaren-Anteils auf 45 Prozent. Nun läuft man gegen die mildere, wenngleich verpflichtende Umsetzung auf EU-Ebene - Wien soll demnach wenigstens 34 Prozent erreichen - Sturm. Unglaubwürdiger kann Politik nicht sein.

Verabsäumt hat es die EU-Kommission, die Biosprit-Pläne zu revidieren. Die Steigerung des Anteils auf zehn Prozent ist nur machbar, wenn Raps & Co im großen Stil außerhalb der Union zugekauft werden. Klar ist auch, dass die Biokraftstoffe nicht nur Autos antreiben, sondern auch die Lebensmittelpreise.

Während also der EU-Cocktail bei Industrie und erneuerbarer Energie unter dem Strich anregend ist, bleiben die alten Schwachstellen. Bei Verkehr und Hausbrand wagen weder Brüssel noch Wien echte Akzente zu setzen. Dabei könnten gerade in diesen Bereichen Schritte gesetzt werden, die keine negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit hätten. Und nebenbei die Lebensqualität erhöhen. (Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.01.2008)