Adnan Dincer: "Wir möchten im politischen Gebilde unseren Beitrag leisten, weil wir die Zukunft gemeinsam zu lösen haben."

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Welche Probleme mit der Liste einhergehen, wie die Reaktionen der anderen Parteien sind, und welche Inhalte er behandeln will, erklärt Dincer im Interview mit Rosa Winkler-Hermaden.

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derStandard.at: Wie sind Sie auf die Idee gekommen mit einer Migrantenliste bei der Wahl 2009 in Vorarlberg anzutreten?

Dincer: Migranten müssen in politische Entscheidungsprozesse miteingebunden werden. Das ist unserer Ansicht nach ein großer Bestandteil der gesamten Integrationsdebatte. Wir möchten im politischen Gebilde unseren Beitrag leisten, weil wir die Zukunft gemeinsam zu lösen haben. Bei den bestehenden Parteien und Fraktionen ist das leider bisher ein Lippenbekenntnis. Das sieht man an den jüngsten Äußerungen diverser Politiker, dass die Parteien noch nicht so weit sind.

Deshalb haben wir uns entschlossen, unseren eigenen Weg zu gehen und haben eine neue politische Liste ins Leben gerufen. Eine reine Migrantenliste wäre auf Dauer problematisch, weil auch Migranten unterschiedliche politische Gesinnungen haben.

derstandard.at: Wen wollen Sie mit dieser Liste ansprechen?

Dincer: Es wurde immer wieder kolportiert, dass es sich um eine reine Migrantenliste bzw. um eine türkisch-stämmige Liste handelt. Dem muss man konsequent widersprechen. Es geht nämlich darum, dass wir wirklich eine Alternative suchen. Wir wollen für das harmonische Miteinander einen Beitrag leisten. Deshalb wird es nicht eine reine migrantische Liste sein, sondern eine bunt gemischte: mit einheimischen Vorarlbergern genauso wie mit türkisch-stämmigen oder anderen Nationalitäten. Wir wollen nicht nur migrantisch spezifischen Themen behandeln, sondern erarbeiten für die verschiedensten gesellschaftspolitischen Bereiche Vorschläge und Programme.

derstandard.at: Wie kann man sich die Entstehung eines solchen Parteiprogramms vorstellen?

Dincer: Wir sind in Arbeitsgruppen organisiert, 30 bis 40 Leute arbeiten mit. Jede Gruppe hat ihren Schwerpunkt. Ich zum Beispiel mache die Bereiche Migration/Integration und Wirtschaft. Andere arbeiten im Gesundheitsbereich, im Bildungsbereich. Sobald die Gruppen Ergebnisse haben, wird es eine Sitzung geben, wo wir uns gegenseitig austauschen. Aus den einzelnen Bereichen wird man dann ein gesamteinheitliches Programm zusammenstellen.

derstandard.at: Gibt es von Ihrer Seite für den Bereich Integration/Migration schon konkrete Vorschläge?

Dincer: Der größte Teil ist, wie gesagt, die politische Partizipation, wir setzen aber auch sehr viel Wert auf Bildung, die bei Migranten noch weiter gefördert werden muss. Wir treten auch sehr stark für die sprachliche Frühforderung ein.

Es geht auch darum, dass wir die Migranten aufklären und sensibilisieren, dass Bildung und das Erlernen der deutschen Sprache sehr wichtig ist. Nur wenn man die Sprache gut kann, kann man Kommunktalon aufbauen, was wiederum den Dialog fördert und die gegenseitigen Ängste abbaut.

derstandard.at: Wie reagieren andere Parteien auf Ihre Liste?

Dincer: Sie haben eher eine ablehnende Haltung. Bei den rechtspopulistischen Parteien war das klar, aber auch die ÖVP hat sich in diese Richtung positioniert. Die SPÖ sagt zumindest, dass sie sich vorstellen könnte Migranten auf ihre Liste zu setzen. Die einzigen, die den Migranten halbwegs eine Chance geben, sind die Grünen.

derstandard.at: Erwarten Sie für die Wahlen in Vorarlberg einen ähnlich heftigen Wahlkampf wie in Graz? Dort war er unter anderem von anti-islamistischen Parolen geprägt.

Dincer: Ich hoffe, nicht nur für Vorarlberg, dass so ein Wahlkampf nie wieder geführt wieder. Das ist kontraproduktiv und schürt Ängste bei der Mehrheits- und Minderheitsgesellschaft. Es führt dazu, dass die beiden noch weiter auseinanderdriften. Das würde der gesamten Integrationsarbeit schaden.

Ich hoffe also nicht, dass das der Fall sein wird, aber wahrscheinlich werden die rechtsorientierten Parteien schon mit dem einen oder anderen Spruch den Wahlkampf prägen. (derStandard.at, 24.1.2007)