Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: AP/Gerald Herbert
Schon die Kleinsten wachsen heute mit technischen Geräten auf, die ihre (Groß-)Eltern mitunter nicht einmal bedienen können. Doch wer zeigt ihnen, wie man mit diesen faszinierenden Alleskönnern umgeht? Können Sie den Unterschied zwischen "Nintendo DS" und "X-Box 360" spontan beschreiben? Auch wenn Sie keine Kinder haben? Kindergartenkinder haben alltäglichen Kontakt zu diesen Spielkonsolen und einer Vielzahl – und Vielfalt – von Unterhaltungs- und Kommunikationsmedien. In ihrer Diplomarbeit untersuchte Elisabeth Schallhart, ob der Kindergarten diese Aufgabe übernehmen sollte.

Erwachsene im Hintertreffen

Multimediale Entwicklung verläuft heutzutage so tief greifend und schnell, dass Kinder mit anderen Medien aufwachsen als ihre Elterngeneration. Eltern haben damit, was frühes Lernen im Umgang mit Neuen Medien betrifft, einen Startnachteil, und können ihre Kinder daher möglicherweise nicht ausreichend pädagogisch begleiten. Um eine Institutionalisierung der massenmedialen Sozialisation zu gewährleisten, wurde daher im Jahr 2001 die Medienpädagogik als Unterrichtsprinzip an österreichischen Schulen festgeschrieben.

Doch was ist mit Kindern im vorschulischen Alter? Haben sie das Privileg, nur kindgerecht vermittelte mediale Inhalte zu genießen? Besteht bei ihnen kein Bedarf an medienpädagogischer Begleitung? Im Gegenteil. Zwar lässt sich durch aktuelle Forschungen etwa das Vorurteil, Kinder und Jugendliche würden sich in ihrer Freizeit größtenteils mit Medien – allem voran Fernsehen – beschäftigen, widerlegen. Dennoch sind Kinder immer wieder mit Inhalten konfrontiert, welche, idealerweise in Begleitung, verarbeitet werden müssen. Dazu kommt, dass das frühe Erwerben von Fähigkeiten im Umgang mit Neuen Medien immer wichtiger wird und für Kinder von größtem Interesse ist. Ebenso wichtig ist das Unterscheiden von medial vermittelten und realen Wirklichkeiten im konstruktivistischen Sinne. Diese Fähigkeit ist grundlegend für den Erwerb sozialer Intelligenz.

Fernsehen – und was noch?

Die Mediennutzung von Kindern im Vorschulalter beschränkt sich vorerst auf das Fernsehen. Ab etwa fünf Jahren kommen auch Gameboy und Spielkonsolen hinzu. Medien bieten Kindern vielfältige Antworten und Orientierungshilfen, sei es hinsichtlich Entwicklungsfragen (Anforderungen der Umwelt), Problemlösungsstrategien, Wert- und Normvorstellungen, oder personaler Vorbilder. Kinder sind ideale AnsprechpartnerInnen der Werbung, und sie erweisen sich ebenso empfänglich für konvergente Medienangebote (parallel gestaltete Spielgegenstände, Sendungen, Drucksachen, Kleidungsstücke etc.). Problematisch kann das mediale Erleben werden, wenn Elternhaus und Kindergarten nicht befriedigend als Sozialisationsinstanz erlebt werden, und dadurch der Schwerpunkt auf mediale Sozialisation verlagert wird. Die hiermit verbundenen Risikodimensionen reichen von Eskapismus (Flucht in Traumwelten) bis zur Gewaltfaszination.

Wer hilft Kindern im Umgang mit Medien?

Bislang ist medienpädagogische Begleitung von Kindern im Vorschulalter nicht vorgesehen. In der Praxis bedeutet das: Weder stehen geeignete Rahmenbedingungen zur Verfügung, noch findet sich Medien- oder Kommunikationspädagogik im Ausbildungsplan von KindergartenpädagogInnen. Ob Medienpädagogik im Kindergarten angebracht oder sogar notwendig ist, wollte die Autorin im Rahmen eines in mehreren Kindergärten durchgeführten Projekts und nachfolgenden Befragungen überprüfen. Dabei gewann sie interessante Erkenntnisse:

Aus den Befragungen ergab sich, dass bereits Begrifflichkeiten (z.B. "Medien") zu Missverständnissen führen. Sowohl Eltern als auch PädagogInnen nannten Bücher als wesentliche Medien, und verstanden Medienpädagogik im Wesentlichen als Vorselektion von Fernsehsendungen durch Erwachsene. Die Vermutung liegt nahe, dass eine unreflektiertere Mediennutzung zum Rückgriff auf die eigene Sozialisation führt, und Einstellungsmuster der Verantwortlichen leitet. Zudem lässt sich die Folgerung ableiten, dass die mangelnde Ausbildung in Sachen Medienpädagogik zur Orientierung an veralteten – "bewahrpädagogischen" bzw. "schönwetterpädagogischen" – Prinzipien verleitet.

Notwendigkeiten zur Umsetzung

Das medienpädagogische Arbeiten im Kindergarten erwies sich als ebenso durchführbar wie konstruktiv. Vor allem das Erleben medialer Inhalte, gemeinsam mit ausreichenden Möglichkeiten zur spielerischen Verarbeitung, zeigte Möglichkeiten zur Implementierung von Medienerziehung auf. Gleichzeitig wurde dabei aber auch die Notwendigkeit der Nachbearbeitung konsumierter Inhalte in Form von Rollen- und Figurenspielen, Gesprächen etc. sichtbar. Im Verlauf sowie nach der Durchführung des Projekts zeigten sich auch Eltern und PädagogInnen sehr interessiert.

Einer Einführung des medienpädagogischen Prinzips im Rahmen der Kindergartenbetreuung stehen derzeit allerdings strukturelle, räumliche, finanzielle und personelle Defizite im Weg. Darüber hinaus ist eine entsprechende Adaptierung der Ausbildungslehrpläne unabdinglich. Dies läuft letztlich auf eine Aufwertung des Berufsstandes von KindergartenpädagogInnen hinaus: "Sie sind nicht nur als 'nette Tanten, die mit den Kindern spielen' anzusehen, sondern als professionelle Erzieherinnen, die eine große Verantwortung in der Erziehung und Bildung unserer Kinder tragen und übernehmen."

Mit der vorliegenden Untersuchung hat die Autorin ein zukunftsweisendes Thema aufgegriffen. Die Umsetzung in Form von Feldforschung sowie in Form von auffallend gründlich durchgeführten und analysierten qualitativen Interviews führt zu einer informativen, mehrere Betrachtungswinkel berücksichtigenden, und dennoch schlüssig aufgebauten und formulierten Arbeit.

Elisabeth Schallharts Diplomarbeit "MedienKindergarten. Integration von medienpädagogischer Arbeit im Kindergartenalltag" (2006) kann im Volltext nachgelesen werden.