Der Titel wurde für "Ehe ohne Grenzen" adaptiert: Angela Magenheimer liest den Integrationsbericht

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Integrationsbericht hin oder her - die beste Integration finde im täglichen Leben binationaler Ehepaare statt, meint Angela Magenheimer vom Verein Ehe ohne Grenzen. Umso verwunderlicher sei es, dass der Bericht das Fremdenrecht "außer Acht gelassen" habe. Denn trotz aller Beteuerungen sei Integration in der allgemeinen Vollzugspraxis "schon eine Einbahnstraße – und zwar aus Österreich raus", meint Magenheimer. Die Zahl jener Ehepaare, die eine Abschiebung des ausländischen Partners befürchten, sei auch im letzten Jahr nicht gesunken. Die Fragen stellte Maria Sterkl.

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derStandard.at: Der große Integrationsbericht, der vom Innenminister in Auftrag gegeben wurde, liegt nun vor. Von Ihnen hat man bisher nichts dazu gehört. Wie stehen Sie dazu?

Angela Magenheimer: Ich habe gerade einen Taxifahrer gefragt, ob er dem Innenminister etwas zum Integrationsbericht auszurichten hätte. Und der Mann, der aus Indien kommt, sagt: `Ich bin jetzt seit 20 Jahren Österreicher. Ich habe vier Kinder, die sind auch Österreicher. Ich arbeite seit zwanzig Jahren, ohne einen Tag arbeitslos gewesen zu sein.` Nach der Scheidung von seiner Frau hätte er sich bei einem Indien-Urlaub nun wieder in eine Frau verliebt. Sie darf aber nicht nach Österreich kommen, weil er zu wenig verdient. Und er sieht das nicht ein. Von wegen "Gemeinsam kommen wir zusammen" (so lautet der Titel des Integrationsberichts, Anm.d.Red.).

derStandard.at: Von anderen NGOs wurde der Bericht aber zumindest vorsichtig begrüßt.

Magenheimer: Es ist ja begrüßenswert, dass man sich über Integration den Kopf zu zerbrechen beginnt. Und ich hoffe, es war ein Beginn, und nicht ein Schlusspunkt. Aber das Fremdenrecht wurde außer Acht gelassen. Im Bericht wird zum Beispiel von Partizipation gesprochen. Aber es gibt Leute, die sich die Staatsbürgerschaft einfach nicht leisten können. Ohne Geld ist man von seinen Rechten ausgeschlossen.

derStandard.at: Der Bericht empfiehlt eine "höhere Einbürgerungsrate" langansässiger MigrantInnen. Das deutet doch auf Erleichterungen hin.

Magenheimer: Wenn das so ist, ist es gut.

derStandard.at: Was gefällt Ihnen am Bericht?

Magenheimer: Da steht, dass man MigrantInnen mit einbeziehen muss. Dass Integration keine Einbahnstraße ist, wie Minister Platter ständig betont. Aber die Beamten, die am Bericht mitgeschrieben haben, sind dieselben, die das geltende Niederlassungsrecht vollziehen. Und da ist Integration schon eine Einbahnstraße – und zwar aus Österreich raus. Wenn ÖsterreicherInnen Drittstaatsangehörige heiraten und gemeinsam hier leben, hat das durchaus integrative Aspekte. Dann erübrigen sich viele der Vorschläge, die im Bericht gemacht werden: Der deutsche Spracherwerb geht viel schneller. Die Zuwanderer sind nicht am Rand, sondern in österreichische Familiensysteme integriert. Wenn das Fremdenrecht das aber nicht zulässt, dann frage ich mich schon: Wie ernst ist es gemeint mit der Integration?

derStandard.at: Im Bericht findet sich die Empfehlung, Zuwanderer stärker in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein Ansinnen, das Sie doch unterstützen müssten.

Magenheimer: Bei den Paaren, die sich in Österreich kennenlernen, ist häufig ein Partner Asylwerber. Und dass Asylwerber in den Arbeitsmarkt eingebunden werden, davon findet sich nichts im Bericht.

derStandard.at: "Ehe ohne Grenzen" vertritt binationale Ehepaare, die vergeblich auf die Niederlassungsbewilligung eines Ehepartners warten. Was fehlt den Betroffenen zur Aufenthaltsbewilligung?

Magenheimer: Eine Frau, mit der ich vor zwei Wochen telefoniert habe, war Reiseleiterin in Ägypten, wo sie einen Ägypter geheiratet hat. In den Flitterwochen wird sie schwanger. Sie kommt zurück nach Österreich, er stellt bei der österreichischen Botschaft einen Antrag auf Niederlassung. Ein halbes Jahr passiert gar nichts. Dann stellt sich heraus, dass sie die Einkommensgrenze nicht erreicht. Mit einem kleinen Kind kann sie nicht Reiseleiterin sein, also versucht sie, sich umschulen zu lassen. Sie hat aber auch niemanden, der auf das Kind aufpassen könnte. Der Karren ist verfahren. Sie wird vermutlich die nächsten Jahre in Ägypten leben müssen, weil sie in Österreich keine Chance haben. Ihr Mann ist Elektriker, würde in Österreich durchaus Arbeit finden, spricht auch brauchbar Deutsch. Aber sie können sich die Ehe nicht leisten. Man braucht 1120 Euro, plus 79 Euro für ein Kind, plus jenen Betrag, den die Miete mehr ausmacht als 239 Euro. Und das kann schon viel Geld sein.

derStandard.at: Die Einkommensgrenze gibt es unter anderem deswegen, weil befürchtet wird, dass die neu gegründeten Familien sonst auf staatliche Unterstützung angewiesen wären. Ist das nicht berechtigt?

Magenheimer: Ich bin mit vielen Paaren in Kontakt. Darunter gibt es keinen einzigen Zuwanderer, der sagt: ‚Hurra, ich komme nach Österreich, um hier Sozialhilfe zu beziehen.’ Das sind Leute in den besten Jahren ihres Lebens, die sehr gerne arbeiten wollen, und die sogar - leider - Dequalifizierung in Kauf nehmen würden, um hier arbeiten zu können.

derStandard.at: Es gibt EhepartnerInnen, die zwar genug verdienen, aber dennoch keine Niederlassungsbewilligung haben, weil sie diese im Inland beantragt haben. Was hindert sie daran, den Antrag im Ausland zu stellen?

Magenheimer: Viele dieser Paare haben vor 2006 geheiratet. Damals war es noch möglich, gleich nach der Heirat legal hier zu arbeiten. Viele davon haben Kinder, zum Teil sind die Frauen in der Babypause. Würde der Mann ausreisen, könnte die Frau das nötige Einkommen nicht aufbringen. Und kein Chef gewährt Urlaub für eine Auslandsantragsstellung, weil das ein halbes Jahr oder ein Jahr dauern kann.

derStandard.at: Es wird aber auch argumentiert, dass ohne solche Hürden die Zahl der Scheinehen ansteigen würde.

Magenheimer: Die Zahl der Scheinehen bewegt sich im minimalen Prozentbereich. Alle, die ernsthaft Angst haben vor dem "Horrorszenario Scheinehen", können auf die gute Arbeit der Fremdenpolizei vertrauen, die sehr genau recherchiert und keine Frage auslässt - bis hin zum Geburtstag der Schwiegermutter und der Farbe der Unterwäsche, die der Gatte vorgestern trug. Rund siebzig Prozent der Paare, die zu uns kommen, haben Scheineheüberprüfungen hinter sich.

derStandard.at: Sie sind selbst mit einem Drittstaatsangehörigen verheiratet. Erreichen Sie die gesetzliche Einkommensgrenze?

Magenheimer: Ja. Wenn wir aber ein Kind kriegen und mein Mann arbeitslos werden sollte, kann er die Aufenthaltsbewilligung immer noch verlieren.

derStandard.at: Welche drei Punkte wollen Sie unbedingt im Maßnahmenplan des Innenministers sehen?

Magenheimer: Eine rechtliche Gleichstellung der binationalen Paare mit österreichischen Paaren. Das heißt: Die Auslandsantragsstellung muss weg, die Einkommensgrenze muss weg, es muss wieder ein Recht zu arbeiten direkt nach der Eheschließung geben.

derStandard.at: Sie haben Ehe ohne Grenzen vor fast zwei Jahren gegründet. Was hat sich seither verändert?

Magenheimer: An der rechtlichen Situation hat sich nichts verändert. Aber die Paare sind informierter, sie kennen ihre Rechte. Was ich merke, ist, dass die Leute immer verzweifelter werden und langsam nicht mehr können. Und wir sitzen noch immer da und sagen: Es kann nicht so weiter gehen. (derStandard.at, 28.1.2008)