"Es war wie ein Weihnachtsgeschenk": Claudia Schmied hat eine Riesenfreude mit ihrem Büro und lässt in diesem keinen Kaffee servieren – aus Angst vor Flecken auf dem Teppich.

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Wien – Kein Luster mehr: Das Büro von SP-Kulturministerin Claudia Schmied dominiert seit kurzem eine schwebende Plexiglas-Skulptur von Hans Kupelwieser. MAK-Direktor Peter Noever hat den barocken Salon neu möbliert – mit Kunstwerken (von Jenny Holzer, Brigitte Kowanz) und Design aus dem 20. Jahrhundert: mit Fauteuils von Friedrich Kiesler, Le Corbusier, Guiseppe Terragni und Alessandro Mendini, mit einem Tisch von Jean Prouvé. Und in der Ecke steht ein Tagbett von Ludwig Mies van der Rohe: "Wo viel gearbeitet wird, da darf auch – zumindest symbolisch – geruht werden", sagt Schmied.

Die Chaiselongue ist eine Leihgabe des MAK, die anderen Objekte wurden gekauft oder angefertigt. Gesamtkosten: 38.000 Euro. Noever hat sich klarerweise auch selbst eingebracht: Von ihm stammt ein Stehpult, die blau-grau-rote Farbkonzeption und das geniale Lichtsystem. Den Teppich garnierte er mit Sentenzen von Brecht, Frisch, Musil, Jelinek, Kraus, Beckett und naturgemäß Bernhard ("Wien ist eine fürchterliche Genievernichtungsmaschine"), die nun mit Füßen getreten werden.

Standard: Wie fühlt man sich in einem Design-Showroom?

Schmied: Ich empfinde ihn nicht als einen solchen. Mit zunehmender Verweildauer in diesem feudalen Zimmer wurde der Wunsch, ihn neu zu gestalten, immer größer. Ich wollte einen Arbeitsplatz, der befreit ist von alter Herrschaftssymbolik, ohne wuchtigen Schreibtisch, hinter dem man sich verbarrikadiert fühlt. Ich wollte etwas Leichtes. Und Peter Noever hat dann, von mir beauftragt, Ideen geliefert.

Standard: Er scheint recht stolz zu sein auf das Zimmer.

Schmied: Ja, er kommt oft, um es herzuzeigen. Auch ich habe eine Riesenfreude damit. Die Gespräche beginnen nicht mehr in der Vergangenheit. Und sie verlaufen anders.

Standard: Der Vertrag von Noever läuft 2009 aus. Hat der MAK-Direktor nun die Basis für eine Verlängerung gelegt?

Schmied: Ich schätze Noever sehr. Aber mit dieser Entscheidung habe ich noch Zeit. Jetzt kümmere ich mich um das Kunsthistorische Museum. Bis dato sind sechs Bewerbungen eingegangen. Aber die Ausschreibung läuft noch bis 31. Jänner. Und ich werde mich auch selbst auf die Suche nach einem Direktor machen.

Standard: Wenn wir schon bei Personalfragen sind: Es gibt in Ihrem Ministerium eine neue Geschäftseinteilung. Wer wird die Abteilung Film leiten?

Schmied: Der Posten wird ausgeschrieben – wie auch die Abteilungsleitung Restitution und die Leitung der Abteilung Beteiligungsmanagement, die für die ausgegliederten Institutionen zuständig ist. Und ich habe die Architektin Bettina Götz (Artec) zur Kommissärin für die Architekturbiennale Venedig bestellt. Eine Frau.

Standard: Zudem schicken Sie Denkmalamtspräsident Georg Wilhelm Rizzi in Pension.

Schmied: Ich möchte, dass Denkmalschutz positiver konnotiert ist. Auch wenn die Auflagen die gleichen bleiben werden: Man soll stolz sein, wenn man z.B. ein denkmalgeschütztes Haus hat. Also es geht mir um eine verbesserte Außenkommunikation.

Standard: Wenige Tage nach Ihrer Bestellung schlug Ihnen Ihre Beraterin Bettina Leidl vor, die Vernissagen in der Eschenbachgasse zu besuchen – um ein Zeichen zu setzen. Sie lehnten ab, Leidl ging zurück in die Kunsthalle. Am Dienstag besuchten Sie die Eschenbachgasse – just ein Jahr danach.

Schmied: Es war spannend! Ich bin erstaunt, wie lebendig diese Community ist! Ist Ihnen aufgefallen? Alle Galerien haben Frauen ausgestellt!

Standard: Vor wenigen Tagen übten Thomas Mießgang im ALBUM und Peter Schneeberger im "profil" Kritik an Ihnen: Sie hätten "wenig Kulturpolitik" gemacht, "jedenfalls keine sozialdemokratische". Starten Sie eine Charmeoffensive?

Schmied: So etwas mache ich nicht. Ich war auch auf der Viennafair und der Fiac. Mit den Galeristen bin ich schon länger im Gespräch. Es geht um eine Evaluierung der Galerien- und Messeförderung. Ich möchte sie neu gestalten. Es geht darum, die höchstmögliche Wirksamkeit zu erreichen.

Standard: Kann es heute überhaupt noch eine sozialdemokratische Kulturpolitik geben?

Schmied:In Österreich haben wir eine mächtige traditionelle Kultur. Die Schätze der Vergangenheit sind derart dominant, dass es das Neue schwer hat, beachtet zu werden, Gewicht zu bekommen. Ich halte nichts von einem Entweder-oder, also zu sagen: Das Traditionelle ist schlecht. Mein Ziel ist ein Sowohl-als-auch, eine Balance herzustellen. Von einer solchen sind wir noch weit weg! Und dafür braucht es die Kunstpolitik.

Standard: Ein Bekenntnis zur Gegenwartskunst ist nicht unbedingt sozialdemokratisch: Auch in der SP gibt es viele, die lieber die Sängerknaben hören, als einen Arthouse-Film sehen.

Schmied: Es geht um die Partizipation: Kunst und Kultur Menschen zu vermitteln, die nicht von Kindheit an einen Zugang dazu haben. Die Beteiligung zu ermöglichen: Das ist für mich ein zutiefst sozialdemokratischer Ansatz.

Standard: Sie sagen, Sie wollen eine Balance – und traten dennoch nicht für ein Filmkulturzentrum im Augarten ein.

Schmied: Wien ist groß. Da wird sich auch für den Film ein guter Standort finden.

Standard: Sie waren mit Ihren engsten Mitarbeitern kürzlich auf Klausur. Was kam heraus?

Schmied: Sie sind ja bestens informiert! Ein Schwerpunkt hatte den Arbeitstitel "generation gap": Wie können wir jungen Künstlern bessere Chancen geben? Welche Formen kann man entwickeln, um den Start ideal zu gestalten? Bisher förderten wir vor allem die Kunstproduktion. Aber wie können wir die Vermittlung gleich von Anfang an einbinden? Also: Soll es besondere Förderungen geben, wenn es parallel zur Produktion auch ein Vermittlungskonzept gibt? Und: Wie schaffen wir es, dass die Institutionen nicht nur nach wirtschaftlichen Kriterien arbeiten, sondern auch den öffentlichen Bildungsauftrag stärker wahrnehmen?

Standard: In den Ländern befürchtet man, dass (noch) mehr Geld nach Wien fließen wird.

Schmied: Ich schätze den Kulturstadtrat, aber die Wiener Themen müssen in Wien gelöst werden. Der Bund ist für die überregionalen Themen zuständig.

(Thomas Trenkler, DER STANDARD/Printausgabe, 26/27.01.2008)